Chevron-Skandal weitet sich in Südamerika aus

Rechtsstreit zwischen Ecuador und der US-Erdölfirma Chevron nimmt neue Dimensionen an. Konflikt bedroht Argentiniens Erdgas-Pläne

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Logo der Kampagne in Ecuador für die Bestrafung von Chevron
Logo der Kampagne in Ecuador für die Bestrafung von Chevron

Buenos Aires. Es schien als wäre alles schon unter Dach und Fach: Die staatliche argentinische Erdölfirma YPF hatte mit dem kalifornischen Ölkonzern Chevron endlich den dringend gesuchten Investor für

die Erschließung der Schiefergasvorkommen in der Region Vaca Muerta gefunden. Ende Dezember wurde ein Vorvertrag geschlossen, bis Mitte April sollte sich vollständig geeinigt werden. Bei Chevron sprach man bereits von Investitionen um die 15 Milliarden US-Dollar. Argentinien besitzt die weltweit drittgrößten Reserven des durch die Entdeckung der Fracking-Methode so beliebt gewordenen Schiefergases.

Doch Ende November beschloss ein argentinische Gericht die Konfiszierung des Firmenvermögens Chevrons in Argentinien. Für die Regierung war dies ein peinlicher Zwischenfall und Chevron ging in Berufung, die jedoch zurückgewiesen wurde. Das Gericht hat Ende Januar seinen Beschluss noch einmal bestätigt. Für die argentinische Tochterfirma Chevrons bedeutet dies das Einfrieren von bis zu 100 Prozent des Firmenkapitals, 40 Prozent der Erdölverkäufe und des Barbestandes in lokalen Banken sowie alle Anteile an dem Ölpipeline-Betreiber Oleoductos del Valle. Wie hoch genau der Gesamtwert von Chevrons Vermögen in Argentinien ist, weiß man nicht. Konfisziert werden soll es so lange, bis die Summe von 19 Milliarden US-Dollar erreicht wird.

Der Hintergrund für diesen kontroversen Rechtsspruch findet sich in einem anderen Land. Bei der Erdölförderung im Amazonasgebiet in Ecuador soll die mittlerweile von Chevron übernommene Ölfirma Texaco von 1964 bis 1990 das Grundwasser mit toxischen Abfällen verschmutzt und damit den Bewohnern der Gebiete dauerhafte Gesundheitsschäden zugefügt haben. Im Februar 2011 wurde Chevron in Ecuador zu Schadensersatzzahlungen von 8,6 Milliarden US-Dollar verurteilt. Chevron verweigerte die Zahlungen, nannte das Urteil illegal und die ecuadorianische Justiz korrupt. Ein Berufungsgericht erhöhte ein Jahr später die Strafzahlungen auf 19 Milliarden US-Dollar.

Da Chevron in dem Land kein Kapital besitzt, das eingefroren werden könnte, suchte die Klägergemeinschaft aus dem Amazonas einen anderen juristischen Weg. Ein Abkommen zwischen Ecuador, Kolumbien und Argentinien besagt, dass Schadensersatzzahlungen aus einem dieser Länder auch in den anderen beiden eingefordert werden können. Die Klägergemeinschaft trug ihren Fall einem Gericht in Buenos Aires vor, forderte einen Pfändungsbeschluss und bekam Recht.

Die argentinische Regierung fürchtet nun, dass Chevron damit handlungsunfähig gemacht wird und der Deal um das Gas in Vaca Muerta platzen könnte. James Craig, Sprecher von Chevron in Lateinamerika, erwiderte auf das Urteil, dass die Kläger kein Recht hätten, ein "Embargo" in Argentinien zu fordern und es ihnen nicht erlaubt sein dürfte, Argentiniens Plänen zur Erschließung der Energieressourcen im Weg zu stehen. Chevron kündigte an, den Fall vor den Obersten Gerichtshof Argentiniens zu tragen.

Enrique Bruchou, der die Klägergemeinschaft in Argentinien vertritt, sieht das Urteil als ein Signal an ausländische Investoren: "Damit vermitteln wir der Welt: Wir in Lateinamerika fordern, dass wer auch immer kommt, um unsere Bodenschätze zu erschließen, die gleichen Gesundheits- und Umweltstandards zu befolgen hat, wie in seinem Ursprungsland." Die Klägergemeinschaft hat auch in Kolumbien und Brasilien Klage gegen Chevron erhoben und erwägt Klagen vor europäischen und asiatischen Gerichten. "Wir schreiben Geschichte in Sachen Umweltschutz", so Bruchou.

Doch die Euphorie könnte bald gestoppt werden. Denn die kalifornische Ölfirma schlägt nun auf einer anderen Ebene zurück und gibt damit dem Rechtsstreit eine neue Dimension. Nachdem im Oktober 2012 der Oberste Gerichtshof in den USA den Antrag Chevrons, das ecuadorianische Urteil zu blocken, abgelehnt hatte, wandte sich der Konzern an den Ständigen Schiedshof in Den Haag. Das Schlichtungsgremium entschied nun am 7. Februar, dass Ecuador die nötigen Maßnahmen ergreifen soll, um die Vollstreckung des Urteils gegen Chevron in Ecuador und im Ausland zu stoppen, um so irreparablen Schaden für den Konzern abzuwenden.

In Ecuador zeigt man sich unbeeindruckt. Die Generalstaatsanwaltschaft ließ verlauten, dass das Land keinen Einfluss auf das Vorgehen privater Kläger hat. Präsident Rafael Correa erklärte kurz nach seiner Wiederwahl, dass er den Rechtsstreit mit Chevron bei den nächsten Treffen der Regionalorganisationen ALBA und Unasur thematisieren wolle. "Es ist notwendig, dass wir uns in Lateinamerika zusammenschließen, um transnationalen Konzernen, die kleine Länder als Kolonien sehen, Einhalt zu gebieten", so Correa.

In wieweit Argentinien sich darauf einlässt, bleibt offen. Momentan überwiegt die Sorge um den Verlust des Investors, auch wenn Chevron in einer Pressemitteilung erklärte, weiterhin in Argentinien operieren zu wollen.