Menschenrechtler treffen Botschafter Kolumbiens

Aktivisten fordern klare Stellungnahme zur Steinkohleproduktion. Botschafter macht vorherige Regierung für Anstieg von Lizenzen verantwortlich

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Cerrejón, die größte Tagebaumine Lateinamerikas.
Cerrejón, die größte Tagebaumine Lateinamerikas.

Berlin. Vertreter von deutschen Menschen- und Umweltorganisationen haben dem kolumbianischen Botschafter ihre Sorge um die Schädigung der Menschen und der Natur in kolumbianischen Bergbauregionen mitgeteilt. Aktivisten der Organisationen Kolko, FIAN und BUND trafen den Dilpomaten Juan Mayr bei einer Unterredung. Die Probleme um die Steinkohleproduktion seien auch eine deutsche Angelegenheit, weil der Rohstoff nach Deutschland importiert wird, sagte Werner Huffer-Kilian vom BUND gegenüber amerika21.de.

Alexandra Huck (Kolko), Sebastian Rötters (FIAN) und er wollten wissen, wie sich die Regierung von Juan Manuel Santos bezüglich der vom Steinkohleunternehmen Cerrejón geplanten Umleitung des Flusses Ranchería positioniert. Der Fluss sei die einzige Wasserquelle der Einwohner des Wüstengebiets. In Kolumbien hat das umstrittene Projekt für starke Proteste gesorgt. Trotzdem gebe es von den zuständigen Behörden keine klaren Aussagen dazu. Mayr antwortete, dass die Regierung momentan keine Position beziehen könne, weil Cerrejón noch keine Lizenz für die Kohleförderung bei Río Ranchería beantragt habe.

Zwar hat das Unternehmen, das den Konzernen Anglo American, BHP Billiton und Xtrata gehört, die Pläne zur Umverlegung des Flusses unterbrochen. Die Steinkohlegewerkschaft Sintracarbón glaubt aber, dass es sich nur um eine vorübergehende Verzögerung handelt. "Unter dem Fluss gibt es 500 Millionen Tonnen Kohle von bester Qualität", hatte der Pressesprecher der Gewerkschaft, Álvaro Frías, Ende letzten Jahres gesagt.

Darüber hinaus habe Cerrejón "in der Region Lizenzen für 69.000 Hektar und der aktuelle Tagebau umfasst 11.000 Hektar", informiert Huffer-Kilian. Der Abbau der Umweltbehörden unter der Vorgängerregierung habe "eine Art Wildwuchs bei der Vergabe von Minentiteln ermöglicht", so der Umweltaktivist weiter. Die aktuelle Regierung habe laut Mayrs Aussage aber keine neuen Lizenzen vergeben.

Die Aktivisten äußerten gegenüber amerika21.de ihre Zweifel daran, dass die Ausweitung des Bergbaus in Kolumbien allein auf die vorherige Regierung zurückzuführen ist. Sie erinnerten daran, dass die als "Lokomotive" bezeichnete Bergbauförderung eine der wichtigsten Säulen der Wirtschaftspolitik von Santos sei. Immerhin setze der Entwicklungsplan des aktuellen Präsidenten darauf, die Kohleproduktion von 2010 bis 2014 auf 124 Millionen Tonnen pro Jahr fast zu verdoppeln.

Thema des Gesprächs mit dem Botschafter war auch die Umsetzung der Vereinbarung 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Sie gibt betroffenen Gemeinden das Recht, über Megaprojekte in ihren Territorien mitzubestimmen. Es fehlen allerdings klare Reglungen darüber, wie die Befragungen durchgeführt werden sollen. In Kolumbien werden viele Betroffene von solchen Projekten entweder nicht befragt oder durch Klientelismus gekauft. Das Ergebnis ist die Vertreibung von ganzen Dörfern gegen den Willen der meisten ihrer Einwohner. Die Regierung Santos habe dazu eine Arbeitsgruppe gebildet, die konkretere Reglungen erarbeiten soll, erklärte der Botschafter. Wie diese zusammengesetzt ist, konnte er jedoch nicht sagen.

Die Menschenrechtler wollten ebenfalls erfahren, was die Regierung Santos bezüglich der schweren Krise des in einer Zone von Steinkohleminen liegenden Dorfes El Hatillo im Bundesstaat Cesar unternommen hat. Die 130 dort lebenden Familien leiden seit Anfang des Jahres unter Hunger und Not. Dies sei Folge der fortwährenden Ausweitung der Steinkohleminen der Konzerne Glencore, Drummond und Goldman Sachs, die bei ihnen auch Lungenkrankheiten verursacht haben. "Leider konnte der Botschafter nichts dazu sagen, weil er den Fall nicht kannte", sagte Huffer-Kilian gegenüber amerika21.de.