Venezuela / Politik

Venezuela: Weiter Konflikt um Wahlergebnis

Maduro kündigt "Regierung der Straße" an. Übersicht über Tote und Verletzte während der Übergriffe. PSUV will alle 39.000 Belege der Wahltische online stellen

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Brennende Autos am Montag Abend vor einem Parteigebäude der PSUV im Bundesstaat Barinas
Brennende Autos am Montag Abend vor einem Parteigebäude der PSUV im Bundesstaat Barinas

Caracas. Unterstützer und Gegner der sozialistischen Regierung Venezuelas lieferten sich am Mittwoch Abend einen Lärmkrieg in Caracas. Die Opposition hatte dazu aufgerufen, um 20 Uhr an den Fenstern auf Kochtöpfe zu schlagen. Daraufhin mobilisierten die Chavisten zu einem Feuerwerk. Im Zentrum der Stadt war der Himmel von zahllosen Raketen erleuchtet. Die Explosionen überlagerten das Klappern der Töpfe deutlich. Begleitet wurde das Spektakel von Hupkonzerten verschiedener Auto- und Motorradkorsos.

Der Übergangspräsident Venezuelas, Nicolás Maduro, wird am Freitag in einer öffentlichen Zeremonie vereidigt. Der ehemalige Gewerkschafter kündigte an, dass er ab Montag eine "Regierung der Straße" beginnen werde. Als neu eingesetzter Präsident Venezuelas will Maduro zuerst eine Tour durch die 23 Bundesstaaten des Landes starten, um sich vor Ort über die Probleme der Bevölkerung zu informieren. Seine Rundreise will Maduro in den drei Bundesstaaten beginnen, die von oppositionellen Gouverneuren regiert werden, welche die Rechtmäßigkeit seiner Wahl nicht anerkennen.

Zudem erklärte Nicolás Maduro, dass er den Spitzenkandidaten der Opposition, Henrique Capriles, nicht mehr als gewählten Gouverneur des Bundesstaates Miranda anerkennt, wo Capriles im Dezember 2012 äußerst knapp im Amt bestätigt wurde. Welche praktischen Konsequenzen dieser Schritt nach sich zieht, ist bisher nicht abzusehen. Allerdings erhalten alle Bundesstaaten erhebliche Mittel von der Zentralregierung. Als Capriles am Mittwoch sein Amt als Gouverneur des Bundesstaates wieder antrat, das er für seine Kandidatur ruhen lassen musste, demonstrierten Unterstützer der bolivarischen Bewegung in Miranda. Sie erklärten symbolisch den "totalen Ausfall" des Chefs der Landesregierung – ein Terminus, der Neuwahlen erfordert.

Unterdessen werden immer neue Details zu den gewalttätigen Übergriffen von Anhängern der Opposition in der Nacht zu Dienstag bekannt. Mit dem Tod einer schwer verletzten Aktivistin erhöht sich die Zahl der Todesopfer auf acht. Alle Übergriffe fanden in von der Opposition dominierten Bundesstaaten und im reichen Osten von Caracas statt. Bei den Vorfällen wurden außerdem 61 Personen verletzt. In vielen Fällen zogen Aktivisten der Opposition vor die Privathäuser von bekannten Chavisten, warfen Steine auf die Gebäude, skandierten Parolen und hinterließen Schriftzüge auf den Außenwänden. Außerdem wurden acht kommunale Kliniken, drei Häuser mit Parteibüros der PSUV und drei subventionierte Lebensmittelläden der Mission Mercal angegriffen. Das Wohnhaus eines leitenden Angestellten des staatlichen Erdölunternehmens PdVSA wurde beschossen.

Im östlichen Stadtteil Baruta schossen Anhänger der Opposition mit einem Gewehr aus einem Fahrzeugkonvoi auf eine Kundgebung von Maduro-Anhängern. Der bekannte Stadtteilaktivist José Luis Ponce erlag den Schussverletzungen. Die PSUV-Aktivistin Rosalis Reyes wurde schwer verletzt und starb am Dienstag Abend im Krankenhaus Domingo Luciani. Die Chavisten hatten in einem Neubau-Projekt der Mission Vivienda gefeiert, was von den traditionell bessergestellten Nachbarn offensichtlich als provokatives Eindringen in "ihren Stadteil" empfunden wurde.

Die meisten Todesopfer sind im Bundesstaat Zulia zu beklagen, wo die Opposition bis Dezember den Gouverneur stellte. Der jugendliche Aktivist Luis García Ponce befand sich mit einer Gruppe vor dem Gebäude des Wahlrates, als Anhänger der Oppostion das Feuer auf sie eröffneten. In Táchira wurden ein PSUV-Aktivist und ein Polizist der Nationalpolizei nach einem Wortwechsel mit Oppositionsanhängern auf Motorädern von diesen beschossen. Beide starben an den Verletzungen. Bei einem weiteren Zwischenfall, dessen politischer Charakter bisher nicht eindeutig geklärt ist, raste ein Transporter in eine Gruppe von Maduro-Unterstützern. Zwei starben, elf wurden teilweise schwer verletzt.

Der unterlegene Kandidat der Opposition, Henrique Capriles, leugnete bei einer Pressekonferenz am Dienstag jede Verantwortung für die Vorfälle. Er unterstellte der Regierung, die Angriffe selber inszeniert zu haben, um gegen die Opposition vorgehen zu können. Diese Version wird von der gesamten privaten Presse Venezuelas unterstützt, die sich über die Namen der Opfer und die genauen Umstände ihres Todes ausschweigt.

Am Dienstag und Mittwoch war die Führung der Regierungspartei PSUV offensichtlich bemüht, ihre Unterstützer davon abzuhalten, die Auseinandersetzungen auf der Straße zu eskalieren. Unter den Kollektiven und Basisorganisationen der bolivarischen Bewegung kursierten Vorschläge, die zentralen Plätze in den von der Opposition dominierten Stadtteilen im Osten der Stadt zu besetzen. Stattdessen entschieden die Aktivisten schließlich, am Dienstag Abend, in den eigenen Stadtteilen die zentralen Plätze zu besetzen und friedllich den Wahlsieg von Maduro zu feiern.

Ein für Mittwoch geplanter Marsch der Opposition zum Gebäude des Wahlrates wurde von den Behörden verboten. Kurz danach rief Capriles selbst seine Anhänger auf, von der Demonstration abzusehen. Stattdessen werde die Opposition ihre Beschwerden offiziell bei den Behörden einreichen. Am Abend kam es zu einem Treffen zwischen dem Wahlrat und dem Wahlkampfteam der Opposition.

Der Leiter der Wahlkampagne von Nicolás Maduro, Jorge Rodríguez, zeigte sich überzeugt, dass die Klagen der Opposition keinerlei sachliche Grundlage aufweisen. "Macht das, meine Herren. Dann können wir eure Beschwerden endlich prüfen." Er verwies auf den Fall eines Wahlbüros, den Capriles am Montag bei seinem Aufruf zu den Protesten präsentiert hatte.

Dort standen auf dem Formular der manuellen Auszählung mehr Stimmen, als auf dem Beleg über die digitalen Stimmen. Dass einer der Wahlzeugen schriftlich die falsche Summe festgehalten habe, bedeute nicht, dass die digitale Zählung falsch sei, argumentierte Rodríguez. Die PSUV wird Kopien sämtlicher 39.000 Belege der Wahlmaschinen, welche alle an der Auszählung beteiligten Parteien erhalten, online veröffentlichen. Jorge Rodríguez rief alle an der Wahl Beteiligten auf, mögliche Fehler zu melden.