Gewalt gegen protestierende Jugendliche in Chile

Demonstrationen, Besetzungen und Streiks für Bildungsreform im ganzen Land. UNICEF kritisiert Polizeigewalt

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Demonstrierende in Chile: "Weder Terroristen noch Kriminelle, sondern Studenten mit Bewusstsein"
Demonstrierende in Chile: "Weder Terroristen noch Kriminelle, sondern Studenten mit Bewusstsein"

Santiago de Chile. Die bereits zwei Jahre andauernden Proteste im Bildungssektor Chiles sind Ende Mai erneut entbrannt. Inzwischen sind mindestens 24

Universitäten und 35 Schulen besetzt oder befinden sich in einem Streik. Dabei handelt es sich sowohl um private als auch um staatliche Bildungseinrichtungen im ganzen Land. Die protestierenden und streikenden Schüler und Studenten fordern weiterhin ein öffentliches, kostenloses und hochwertiges Bildungssystem.

Für breite Empörung sorgte das Vorgehen der Militärpolizei gegen die jungen Protestteilnehmer. In mehreren Fällen kam es offenbar zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung. Bereits am 28. Mai wurden in Santiago de Chile Jugendliche von der Militärpolizei mit Wasserwerfern aufgehalten, nachdem sie von der bewilligten Marschroute abgewichen waren. Zu noch schwereren Zusammenstößen kam es am 13. Juni, als erneut Schüler und Jugendliche in mehreren Städten Chiles auf die Straße gingen, um ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen. Es waren die ersten direkt von Schülern der Sekundarstufe organisierten Protestveranstaltungen und Schätzungen gehen davon aus, dass allein in der Hauptstadt mehrere Zehntausend Schüler und Studenten daran teilnahmen. Dabei wurden nach offiziellen Angaben landesweit insgesamt 324 Personen festgenommen und 24 Polizisten verletzt. Menschenrechtsorganisationen sprachen von mindestens 50 verletzten Jugendlichen. Außerdem verschafften sich Militärpolizisten unerlaubt Zutritt zum Zentralgebäude der Universität von Chile, um die sich darin aufhaltenden Studenten zu verhaften. Sowohl Victor Pérez, der Rektor der Universität, als auch Andrés Fielbaum, der Präsident der Studentenvereinigung Chiles (Confech), kritisierten dieses Vorgehen der Uniformierten entschieden.

Die Gewaltanwendung gegen die jungen Protestierenden wurde unterdessen auch vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) als unverhältnismäßig verurteilt. Die Kinderrechtskonvention der UNO schütze das Recht der Kinder, ihre Meinung in allen sie berührenden Angelegenheiten frei zu äußern. Die UN-Organisation forderte die Justiz dazu auf, die gewaltsamen Vorgänge und Verhaftungen zu ermitteln und die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Die UNICEF bot ihre Zusammenarbeit an, um einen Dialog zwischen den Schülern und Studenten einerseits und den Behörden andererseits zu stärken.

Auslöser dieser neuen Protestwelle war Präsident Sebastián Piñeras Rede zur Lage der Nation am 21. Mai, in welcher er nicht auf die Forderungen der Schüler und Studenten einging. Die rechtsgerichtete Regierung Piñeras hält die kostenlose Bildung für ungerecht, da die wohlhabenderen Schichten der Bevölkerung, welche selber für die Kosten der Ausbildung aufkommen könnten, bevorzugt würden. Den weniger vermögenden Studenten solle jedoch der Zugang zu günstigen Krediten vereinfacht werden. Zwar gab Piñera während seiner Rede Fehler zu, er will jedoch an seiner bisherigen Politik im Bildungsbereich festhalten. Erst Mitte April war Harald Beyer als Bildungsminister abgesetzt und durch Caroline Schmidt ersetzt worden. Als ehemalige Frauenministerin erfreute sie sich gemäß Umfragen hoher Beliebtheit in der Bevölkerung, dennoch konnte sie als nunmehr vierte Bildungsministerin in drei Jahren keine Beruhigung der Lage bewirken. Bereits für den 26. Juni sind weitere Märsche und ein nationaler Streik geplant, wobei die Confech auch die Bevölkerung zur Teilnahme aufrief.