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US-Experte verteidigt Asylpolitik Venezuelas

Umgang mit Whistleblower belege eigenständige Politik Südamerikas. Erhöhter Druck der USA gegen Asylstaaten wahrscheinlich

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Geht von weiteren Konflikten aus: US-Lateinamerika-Experte Mark Weisbrot
Geht von weiteren Konflikten aus: US-Lateinamerika-Experte Mark Weisbrot

Washington. Nach dem Asylangebot der Regierung Venezuelas an den US-amerikanischen Geheimdienst-Enthüller Edward Snowden laufen hinter den Kulissen die Verhandlungen um eine Überführung des 30-Jährigen in das südamerikanische Land. Derzeit hält sich Snowden noch im Transitbereich eines Moskauer Flughafens auf, den er nach der Aberkennung seines US-Passes nicht verlassen kann. Die eher symbolische Ausstellung eines "Weltbürgerpasses" durch eine Nichtregierungsorganisation wird ihm wohl nicht helfen. Neben Venezuela setzen sich deswegen auch weitere Staaten Lateinamerikas für eine Aufnahme des Aktivisten ein, der in den USA wegen Spionage vor Gericht gestellt werden soll.

Im Interview mit amerika21.de hob der US-amerikanische Lateinamerika-Experte Mark Weisbrot nun die Politik linksgerichteter Regierungen Lateinamerikas positiv hervor. Der Fall Snowden zeige, dass in Südamerika in den vergangenen 15 Jahren eine Reihe von Regierungen in freien Wahlen an die Macht gekommen sind, die sich vom Einfluss der USA wirklich frei gemacht haben, so Weisbrot. "Das ist ein wichtiger Unterschied zu den europäischen Staaten, denen es nicht gelungen ist, eine von Washington unabhängige Außenpolitik zu entwickeln", fügte der Vizedirektor des Zentrums für Politik- und Wirtschaftsstudien (CEPR) in Washington an.

Die meisten südamerikanischen Regierungen seien auch schon bereit gewesen, dem Mitbegründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, Asyl zu gewähren. Der damalige Präsident von Brasilien, Luiz Inácio Lula da Silva, war nach Darstellung Weisbrots einer der vehementesten Verfechter von Assange – lange bevor sich Ecuadors Präsident Rafael Correa in die Debatte eingeschaltet hat. "Lula da Silva hat diese Position eingenommen, obwohl die von Wikileaks veröffentlichten Depeschen nicht unbedingt das beste Licht auf seine Regierung geworfen haben", sagte der US-Experte im Interview mit amerika21.de. Im aktuellen Fall von Edward Snowden habe die brasilianische Regierung ihm zwar kein Asyl angeboten. "Man kann aber davon ausgehen, dass auch sie ihn nicht an die USA ausgeliefert hätte, wenn er in einer der brasilianischen Botschaften Zuflucht gesucht hätte", so Weisbrot weiter. Das Gleiche gelte wohl für die übrigen linken und unabhängigen Regierungen Südamerikas.

Zugleich nahm der US-Lateinamerika-Experte Ecuador und Venezuela in Schutz: "Selbst wenn die Kritik an der Politik Ecuadors und Venezuelas zutreffen würde, was meist nicht der Fall ist: Wer von den Kritikern hat auf die tausenden politischen Flüchtlinge aus El Salvador, Chile oder anderen Staaten Lateinamerikas hingewiesen, die vertrieben wurden, weil die USA dort Terrorregime unterstützt haben?", begegnete er entsprechenden Vorwürfen. Zudem wisse jeder, der die Lage in den genannten Staaten Südamerikas kenne, dass die internationalen Medien "eine Karikatur der Wirklichkeit und des Zustandes der Pressefreiheit dort verbreiten".

Bei einer Aufnahme Snowdens durch ein südamerikanisches Land – im Gespräch sind derzeit Venezuela und Ecuador, – würde die US-Regierung alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um den entsprechenden Regierungen zu drohen, sagte der US-Experte weiter: "Und sicherlich besteht die Möglichkeit verdeckter Operationen." In Ecuador habe es im Jahr 2010 bereits einen Putschversuch gegen Präsident Correa gegeben, erinnerte Weisbrot. Und auch wenn es keine Belege für eine direkte Beteiligung der USA dabei gegeben habe, hätten doch Verbindungen zwischen einigen der beteiligten Polizeifunktionäre und den USA bestanden. "In einigen Fällen ist dabei auch Geld geflossen", so Weisbrot. In Ecuador glauben viele, dass die USA an dem Umsturzversuch damals beteiligt waren, fügte er an. "Und wenn dem nicht so ist, dann wäre es der erste Putschversuch gegen eine linke Regierung in Lateinamerika seit 60 Jahren gewesen, bei dem Washington seine Hände nicht im Spiel hatte", so sein Resümee.