Chile / Politik

Bachelet stellt Regierungsprogramm für Chile vor

Sozialdemokratin verspricht mehr Geld für Bildung und Gesundheit. Überprüfung des privaten Rentensystems, Steuerreform und Verfassungsänderungen vorgesehen

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Regierungsprogramm Michelle Bachelet
Titelseite des 100-Tage-Regierungsprogramms der chilenischen Präsidentschaftskandidatin Michelle Bachelet

Santiago de Chile. Die Kandidatin des chilenischen Mitte-Links-Bündnisses "Neue Mehrheit" (NM), Michelle Bachelet, hat diese Woche

ihr 100-Tage-Regierungsprogramm der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Falle eines Wahlsieges bei den Präsidentschaftswahlen am 17. November werde die Ex-Präsidentin (2006-2010) der Ungleichheit den Kampf ansagen, heißt es in dem am Montag präsentierten Papier "50 Versprechen zur Verbesserung der Lebensqualität im Chile Aller – die 100 ersten Regierungstage".

Für eine "Entwicklung mit mehr Inklusion" gelte es "das Gute, was wir geschafft haben" zu verstärken und "die Schwächen unseres Wachstumsmodells zu überwinden", so die Sozialdemokratin im Vorwort des Regierungsprogramms. Als Regierungschefin werde sie die große soziale Ungleichheit in der wohlhabendsten Nation des Kontinents angehen.

Im Bildungssystem werde es eine "große Reform" geben. Die frühkindliche Betreuung soll massiv ausgebaut werden. Weil für Schulabgänger der Zugang zu höherer Bildung sehr schwer sei, sollen benachteiligte Jugendliche Förderung und Unterstützung erhalten. In den Regionen Aysén und O'Higgins sollen zwei neue öffentliche Universitäten gegründet werden sowie landesweit fünf neue technische Fachhochschulen auf Universitätsniveau entstehen.

Im Gesundheitsbereich wird neben dem Bau öffentlicher Gesundheitsstationen die kostenfreie Vergabe von Medikamenten an chronisch Kranke angekündigt. 750 Mediziner sollen an öffentlichen Krankenhäusern neu eingestellt, 20 neue Krankenhäuser gebaut werden. Personen, die wegen bürokratischer Hürden aus dem Sozialsystem und der Mindestrente (PBS) gefallen sind "ohne, dass sich ihre sozioökonomische Situation verbessert hat", sollen durch neue Regeln wieder ins soziale Netz aufgenommen werden.

Geplant ist auch eine neue staatliche Rentenkasse für sozial Benachteiligte. Das bestehende Rentensystem soll durch "nationale und internationale Experten" überprüft werden.

Im Bereich Arbeit will Bachelet die gewerkschaftliche Verhandlungsmacht bei Lohnverhandlungen stärken. 300.000 Frauen mit geringem Einkommen und 150.000 Jugendliche ohne Bildungsabschluss oder mit Behinderung sollen über Fortbildungsprogramme in den ersten Arbeitsmarkt gebracht werden.

Für die Wirtschaft ist die Ausarbeitung eines neuen Entwicklungsplanes vorgesehen, weil "unsere Wirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit und Dynamik verloren hat" und weiterhin auf dem Export von Rohstoffen fuße.

Der bisherige Direktor der Indigenen-Kommission CONADI soll zu einem "Minister für Indigene Angelegenheiten" aufgewertet werden, ein eigenes Ministerium zur Formulierung der Indigenen-Politik soll folgen. Auch die Gründung eines Ministeriums für Kultur und kulturelles Erbe wird angekündigt.

Zudem werde ein Frauen-Ministerium geschaffen, kündigte die frühere UN-Kommissarin für Frauenrechte an. Um alle Vorhaben in Bildung, Soziales, Arbeit und Rente bezahlen zu können "und Wirklichkeit werden zu lassen", aber auch um das "vererbte strukturelle Defizit" finanzieren zu können, sei eine Steuerreform nötig, heißt es im abschließenden Punkt 50.

Auch die Verfassung könnte unter Bachelet Veränderungen erfahren. Bereits Ende September kündigte sie eine Verfassungsreform an. Eine Expertenkommission hatte einen Reformkatalog erarbeitet. Neben der Möglichkeit einer bisher ausgeschlossenen einmaligen Wiederwahl des Präsidenten nach vier Jahren Amtszeit könnte der Kongress auch das Recht auf Wasser als öffentliches Gut, das Recht auf Wohnung, Schwangerschaftsabbruch und rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften beschließen. Zudem soll die in der jetzigen Verfassung festgeschriebene Rolle des Militärs und der Militärgerichtsbarkeit abgeschafft, die starke Position des Präsidenten gegenüber der Legislative in einem "semipräsidentiellen System" abgeschwächt und die direkte Demokratie über Abwahlreferenden und Volksabstimmungen gestärkt werden. Die Veränderungen sollen abschließend in einem Referendum beschlossen werden.