Wohnungslose in São Paulo protestieren vor WM

Protestlager mit 2.500 Zelten unweit der Arena für das Eröffnungsspiel errichtet. Aktivisten: Investitionen kommen nicht den Armen zugute. Tote auf Baustelle

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Aktivisten der Obdachlosenbewegung MTST
Aktivisten der Obdachlosenbewegung MTST

São Paulo. Am Samstagmorgen haben rund 1.000 Familien der Wohnungslosenbewegung MTST ein leerstehendes Gelände im Stadtteil Itaquera im Osten von São Paulo besetzt. Das Gebiet befindet sich weniger als vier Kilometer von der Arena Corinthians entfernt, wo am 12. Juni das Eröffnungsspiel der Fußballweltmeisterschaft zwischen Brasilien und Kroatien stattfinden wird. Die Besetzer stammen zum größten Teil aus benachbarten Favelas und Gemeinden, in denen im Zuge der WM-Vorbereitungen die Mieten rasant gestiegen waren. "Die Bauarbeiten in Itaquera verbessern in keiner Weise die Wohnungssituation der Region sondern erhöhen die Immobilienspekulation nur noch weiter", sagte Guilherme Boulos, Sprecher der MTST.

Innerhalb von weniger als 40 Stunden errichteten die Familien über 2.500 Zelte, die nun als provisorische Wohneinheiten auf dem 150.000 Quadratmeter großen Gelände dienen. Zu Wochenbeginn war die Zahl der Familien bereits auf über 2.000 gestiegen. 

Allein in São Paulo fehlen über 700.000 Wohneinheiten. Die MTST versucht seit ihrer Gründung im Jahre 1997 städtischen Leerstand für wohnungslose und arme Familien nutzbar zu machen. "Die Besetzung in Itaquera soll zeigen, dass Investitionen für die WM nicht jenen zugute kommen, die sie am nötigsten haben. Während Millionen für das Stadion ausgeben werden haben tausende Familien noch immer keinen Zugang zu Wohnungen", beklagte die MTST auf ihrer Seite.

Die Bewegung fordert das kommunale Parlament, die Câmera Municipal, auf das Gebiet als sogenannte soziale Sonderzone (ZEIS) freizugeben, um damit den Bau von Sozialwohnungen auf dem Gebiet zu genehmigen. Der Bürgermeister São Paulos Fernando Haddad erklärte dazu am Montag, dass dies "erst möglich sein wird" wenn die Besitzverhältnisse geklärt seien. Laut einem Bericht der Tageszeitung O Estadão steht das Gelände bereits seit 29 Jahren leer.

MTST-Sprecher Boulos kündigte unterdessen Proteste während der WM an sollten die Forderungen der Bewegung nicht erfüllt werden: "Wenn die Verhandlungen scheitern werden wir kämpfen".

Die in der Nähe des besetzten Geländes gelegene Arena Corinthians hat schon in der Vergangenheit heftige Kontroversen ausgelöst. Neben den steigenden Mieten in der Region beklagen Anwohner auch die Auflagen des Fußballverbandes FIFA. Eine Bannmeile von zwei Kilometern rund um das Stadion soll verhindern, dass die Bewohner Itaqueras und Straßenhändler während der WM Waren an die Fußballfans verkaufen. Die Favela Vila da Paz, die keine 500 Meter vom Stadion entfernt liegt, hat sich zumindest vorübergehend gegen mehrere Räumungsversuche gewehrt.

Auch die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle des Stadions stehen in der Kritik. Insgesamt starben bereits drei Bauarbeiter bei Unfällen. Zuletzt kam es Ende März zu einem Todesfall.