FARC und Regierung einig bei Umgang mit Opfern

Kolumbianische Guerilla erkennt Mitverantwortung für Menschenrechtsverbrechen an. Opfervertreter sollen direkt an Verhandlungen beteiligt werden

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Vertreter der FARC und der kolumbianischen Regierung bei einer Pressekonferenz in Havanna
Vertreter der FARC und der kolumbianischen Regierung bei einer Pressekonferenz in Havanna

Havanna/Bogotá. Die kolumbianische Regierung und die Guerillaorganisation FARC haben am Samstag eine Erklärung

über den Umgang mit den Opfern des bewaffneten Konfliktes vorgestellt. Das Thema der Konfliktopfer war der fünfte Punkt auf der gemeinsamen Agenda.

In dem Dokument  wird erstmals die Mitverantwortung beider Seiten bei Menschenrechtsverletzungen anerkannt: "Es gibt Opfer schwerer Verletzungen des Menschen- sowie den humanitären Völkerrechts", heißt es darin. Diese Personen hätten "das Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Sicherheitsgarantien". Weiter heißt es: "Jedwede Diskussion über diesen Punkt muss mit einer Anerkennung der Verantwortlichkeit gegenüber den Opfern einhergehen. Wir werden nicht gegenseitige Straflosigkeit aushandeln."

Dieser Passus wird von Prozessbeobachtern als Schlüsselmoment der bisher 18 Monate währenden Verhandlungen gewertet. Zuvor hatten sich die FARC stets geweigert, eine entsprechende Mitschuld anzuerkennen.

Die Vereinbarung umfasst insgesamt zehn Prinzipien, nach denen sich die weiteren Verhandlungen zum Thema orientieren sollen. Alle Punkte entsprechen juristisch-politischen Kriterien wie der Notwendigkeit einer direkten Teilnahme der Opfer an den Friedensgesprächen sowie der im internationalen Recht festgelegte Bedingung, dass die Rechte der Opfer nicht verhandelbar sind und die endgültige Abmachung an ihren Interessen ausgerichtet werden muss.

In Folge dessen sollen die Opfer eine "repräsentative Delegation" nach Havanna entsenden. Es ist das erste Mal, dass Vertreter der Zivilgesellschaft direkt in die Verhandlungen eingebunden werden.

"Diese Prinzipien haben keinen Vorläufer, weder in Kolumbien noch in irgendeinem anderen Friedensprozess", sagte Humberto de la Calle, der Leiter der Regierungsdelegation in Havanna, nach der Vorstellung des Dokumentes.

Iván Márquez, der Sprecher der FARC-Delegation sagte diesbezüglich: "Wir wissen um die Bereitschaft der Opfer, die Friedensvereinbarungen zu unterstützen. Es gibt nicht nur Opfer der militärischen Konfrontation und der im Krieg begangenen Fehler. Die schlimmsten Mörder sind die aktuellen wirtschafts- und sozialpolitischen Praktiken, denn diese haben die meisten Opfer auf dem Gewissen, weil sie grundsätzliche Menschenrechte negieren."

In Ergänzung zu der direkten Einbindung der Opfer in die Verhandlungen in Havanna sind zudem für den vierten und fünften Juli in Villavicencio, Barrancabermeja und in Barranquilla drei regionale Foren über den Umgang mit den Opfern des Konfliktes geplant, ergänzt um ein nationales Forum zum Thema in Cali.

Neben der Anerkennung von Menschenrechtsverletzungen konnten die Friedensgespräche auch in zwei weiteren Bereichen Erfolge verzeichnen. So akzeptierte die kolumbianische Regierung in den letzten Tagen die Forderung der FARC nach der Einsetzung einer Expertenkommission zu den Ursachen des Konfliktes und seiner Opfer.

Im Gegenzug akzeptierten die FARC den Vorschlag der Regierungsseite, parallel zu den Verhandlungen zur Opferfrage in einer weiteren Kommission bereits den letzten Verhandlungspunkt über ein "Ende des Konfliktes" zu diskutieren. Dieser beinhaltet die wohl auspruchsvollsten Themen wie "Demobilisierung", "Abgabe der Waffen", "Reintegration", "Sicherheitsgarantien" und "Kampf gegen den Paramilitarismus".

Der weitere Verlauf der Verhandlungen hängt allerdings zu einem großen Teil vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen am 15. Juni in Kolumbien ab. Óscar Iván Zuluaga, Präsidentschaftskandidat der rechtsextremen Partei Demokratisches Zentrum (CD), hatte nach seinem Sieg in der ersten Runde angekündigt, im Falle seiner Wahl zum Präsidenten die Friedensgespräche mit der Guerillaorganisation FARC auszusetzen. Zuluaga führt derzeit in Umfragen mit 49 Prozent vor dem Amtsinhaber Juan Manuel Santos der auf 41 Prozent kommt.