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2012 – ein Jahr voller Gefahren

Die Spannungen zwischen Israel, den USA und dem Iran halten die Welt in Atem

Wird das Jahr 2012 das Ende der Welt bringen? Das orakelt eine Maya-Legende und benennt sogar das exakte Datum der Apokalypse: der kommende 12. Dezember (12.12.12). Mit Blick auf Europa und die schwere finanzielle und soziale Krise werden die Gefahren in diesem Jahr auf jeden Fall nicht geringer, in dem es außerdem noch Wahlen in den Vereinigten Staaten, Russland, Frankreich, Mexiko und Venezuela gibt.

Die geopolitische Hauptgefahr ist und bleibt jedoch am Persischen Golf. Werden Israel und die Vereinigten Staaten den angekündigten militärischen Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen starten? Die Regierung in Teheran beansprucht für sich das Recht, über eigene zivil nutzbare Nuklearenergie zu verfügen. Und Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat wiederholt erklärt, dass das Ziel dieses Programms absolut kein militärisches sei, sondern nur der Gewinnung von elektrischer Energie nuklearen Ursprungs diene. Er erinnert außerdem daran, dass der Iran den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben und ratifiziert, während Israel dies nie getan hat.

Die israelische Regierung andererseits denkt, dass man nicht länger warten darf. Ihrer Meinung nach kommt der Moment gefährlich nahe, an dem die Regierung unter den Ayatollahs über Atomwaffen verfügen wird, und von diesem Augenblick an wird man nichts mehr tun können. Das Machtgleichgewicht im Nahen Osten werde auseinander brechen und Israel nicht mehr die unbestreitbare militärische Vorherrschaft in der Region haben. Die Regierung von Benjamin Netanjahu glaubt, dass unter diesen Umständen sogar die Existenz des jüdischen Staates selbst bedroht wäre.

Die israelischen Strategen glauben, dass der jetzige Zeitpunkt für einen Staatsstreich geeignet ist, solange der Iran so geschwächt ist. Sowohl in der Wirtschaft durch die vom Sicherheitsrat der UNO oktroyierten Sanktionen, die auf den alarmierenden Informationen der Internationalen Atomenergie-Organisation beruhen, als auch im regionalen geopolitischen Kontext, weil sein Hauptverbündeter Syrien wegen der Aufstände im Inneren sich nicht in der Lage sieht, dem Iran im Notfall beizustehen. Diese Unfähigkeit von Damaskus hat Auswirkungen auf einen anderen iranischen Verbündeten in der Region, die libanesische Hisbollah, deren militärische Versorgungslinien vom Iran aus nicht mehr zuverlässig sind.

Aus all diesen Gründen ist es Israel am liebsten, dass ein Angriff sobald wie möglich stattfindet. Um eine Bombardierung vorzubereiten, hat es den Iran schon mit Sondereinheiten infiltriert. Es ist ebenso sehr wahrscheinlich, dass israelische Agenten für die Attentate verantwortlich waren, die in den vergangenen beiden Jahren den Tod von fünf bedeutenden iranischen Nuklearwissenschaftlern verursacht haben.

Obwohl die USA den Iran ebenso beschuldigen, ein geheimes Nuklearprogramm durchzuführen, um an Atomwaffen zu gelangen, kommen sie in Bezug auf die Gelegenheit zu einem Angriff zu einem anderen Schluss. Die USA haben zwei Jahrzehnte Kriegführung in dieser Region hinter sich, und das Ergebnis davon ist nicht sehr schmeichelhaft. Der Irak war ein Desaster und ist am Ende in den Händen der schiitischen Mehrheit geblieben, die mit dem Iran sympathisiert … Und was das Schlammassel in Afghanistan betrifft, so haben die nordamerikanischen Streitkräfte ihre Unfähigkeit beweisen, die Taliban zu besiegen, mit denen ihre Diplomaten schon die Verhandlungen abbrechen mussten, bevor sie das Land schnell ihrem Schicksal überlassen haben.

Diese kostspieligen Kriege haben die USA geschwächt und der ganzen Welt die Grenzen ihrer Kriege und ihren beginnenden historischen Niedergang vor Augen geführt. Es ist jetzt nicht die Zeit für neue Abenteuer – schon gar nicht in einem Wahljahr, in dem Präsident Barack Obama nicht sicher sein kann, ob er wieder gewählt wird. In dieser Zeit werden alle Ressourcen mobilisiert, um die Wirtschaftskrise zu bekämpfen und die Arbeitslosigkeit zu senken.

Auf der anderen Seite versucht Washington, sein Bild in der arabisch-muslimischen Welt zu ändern, vor allem nach den Aufständen des "arabischen Frühlings" im vergangenen Jahr. Früher Komplizen der Diktatoren – vor allem von Ben Ali in Tunesien und Mubarak in Ägypten –, möchten die USA heute als Gönner der neuen arabischen Demokratien erscheinen. Eine militärische Aggression gegen den Iran, zudem noch in Zusammenarbeit mit Israel, würde diese Bemühungen zunichte machen und den latenten Anti-Amerikanismus in vielen Ländern wecken. Vor allem in den Ländern, deren Regierungen von genau den gemäßigten Islamisten geführt werden, die aus den Volksaufständen hervor gegangen sind.

Eine andere wichtige Ergänzung: Ein Angriff gegen den Iran hätte nicht nur militärische Konsequenzen (es ist nicht auszuschließen, dass iranische Raketen auf israelisches Territorium gelangen oder die nordamerikanischen Basen in Kuwait, Bahrein oder Oman treffen), sondern er hätte vor allem auch wirtschaftliche Folgen. Das Mindeste, was der Iran einem Bombardement seiner Nuklearanlagen entgegensetzen würde, wäre der Versuch einer Blockade der Meerenge von Hormuz, wie es die iranischen Militärs immer wieder ankündigen – dieser Riegel zum Persischen Golf, durch den ein Drittel des Petroleums weltweit geht und täglich ungefähr 17 Millionen Barrel Erdöl. Ohne diesen Versorgungsweg würden die Preise der Kohlenwasserstoffe unerträgliche Höhen erreichen, was eine Wiederbelebung der Weltwirtschaft und einen Ausweg aus der Krise verhindern würde.

Der iranische Generalstab bekräftigt immer wieder, dass "nichts einfacher ist, als diese Meerenge zu schließen" und verstärkt die Seemanöver in der Region, um zu zeigen, dass das Land sehr wohl in der Lage ist, seine Drohungen wahr zu machen. Washington hat darauf geantwortet, dass eine Blockade der strategischen Meerenge von Hormuz als "Kriegsfall" angesehen würde und hat ihre Fünfte Flotte im Golf verstärkt.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass der Iran die Initiative ergreift und die Meerenge von Hormuz schließt – obwohl er es im Gegenzug zu einem Angriff immer versuchen könnte. Aber erstens würden die Iraner sich selbst schaden, da sie ihr eigenes Erdöl auf diesem Wege exportieren und die Einnahmen aus diesen Exporten für das Land lebenswichtig sind. Zweitens würden sie einigen ihrer Hauptverbündeten schaden, die sie in dem Konflikt mit den Vereinigten Staaten unterstützen. In der Hauptsache China, dessen Erdölimporte zu circa 15 Prozent aus dem Iran kommen und für das ein Wegfall dieser Importe eine teilweise Lahmlegung seiner Produktion bedeuten würde.

Die Spannungen sind zum Greifen nah. Die Regierungen der Welt beobachten minütlich eine gefährliche Eskalation, die zu einem großen Konflikt der gesamten Region werden kann. Nicht nur Israel, die USA und der Iran wären darin involviert, sondern auch drei weitere Mächte des Nahen und Mittleren Ostens: die Türkei, deren Ambitionen in der Region wieder groß sind, Saudi Arabien, das seit Jahrzehnten davon träumt, seinen großen schiitisch islamischen Rivalen zerstört zu sehen, und der Irak, der in zwei Teile zerbrechen könnte, einen schiitischen pro-iranischen und einen sunnitischen pro-westlichen Teil.

Eine Bombardierung der iranischen Nuklearanlagen würde zudem eine radioaktive Wolke verursachen, die eine unheilvolle Wirkung auf die Bevölkerung der gesamten Region haben würde – einschließlich der Tausenden von amerikanischen Militärs und der Einwohner Israels. All das lässt uns annehmen: Wenn die Kriegstreiber so laut ihre Stimme erheben, ist die Zeit der Diplomatie noch nicht vorbei.