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2013: Fortschritte für den Frieden in Kolumbien

Bei den Gesprächen zwischen FARC und Regierung in Havanna wurde weit mehr als bei ähnlichen Friedensverhandlungen zuvor erreicht

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Delegierte der FARC am 20. Dezember 2013 in Havanna. Am Mikrophon Iván Márquez
Delegierte der FARC am 20. Dezember 2013 in Havanna. Am Mikrophon Iván Márquez

Bei den Friedensgesprächen für Kolumbien, die im November vergangenen Jahres in Havanna begannen, wurden im Lauf des Jahres 2013 Vereinbarungen zu zentralen Themen wie der Landfrage und der politischen Partizipation erreicht. Nach mehr als einem halben Jahrhundert des Konflikts gaben die FARC-Guerilla und die Regierung von Juan Manuel Santos Ende Mai ein Teilabkommen bekannt.

Allein für den ersten der sechs Punkte der vereinbarten Agenda wurden sieben Monate benötigt, dennoch waren die Vereinbarungen über die umfassende Entwicklung der Landwirtschaft schließlich ein Meilenstein. Nie wurde so viel in ähnlichen Friedensverhandlungen zuvor erreicht.

Der Zugang zu und die Nutzung von Boden, die Formalisierung von Besitz, landwirtschaftliche Nutzungsgebiete und Schutzzonen für Kleinbauern waren einige der Themen, über die ein Konsens erreicht wurde. Auch wurden bei den Gesprächen gemeinsame Positionen in Bezug auf Entwicklungsprogramme in Verbindung mit Infrastruktur, Gesundheit, Bildung und Wohnen erreicht. Dasselbe gilt für die Zuteilung von Ländereien, die Beseitigung der Armut auf dem Lande, bei der Förderung der landwirtschaftlichen Produktion und der Lebensmittel- und Ernährungspolitik. Beide Parteien erklärten, dass dies der Beginn radikaler Transformationen der ländlichen und landwirtschaftlichen Realität Kolumbiens auf der Basis von "Gleichheit und Demokratie" sei.

Aufgrund einer umstrittenen Geheimhaltungsklausel sind Details über die zukünftige Umsetzung der Vereinbarung nicht bekannt. Darüber hinaus sind die Gespräche von dem Prinzip geleitet, dass "nichts vereinbart ist, bis alles vereinbart ist". Das heißt, bis zum Erreichen eines endgültigen Friedensabkommens ist das Vereinbarte reine Theorie.

Der Chefunterhändler der kolumbianischen Regierung, Humberto de la Calle, beeilte sich zu erklären, dass das Vereinbarte "mit vollem Respekt für das Privateigentum umgesetzt wird." Ein Prozent der Bevölkerung Kolumbiens besitzt die Hälfte des gesamten Bodens des Landes. Für Iván Márquez, den Leiter der Rebellen-Delegation bei den Gesprächen, gibt es bestimmte Vorbehaltsklauseln, die vor dem Abschluss eines endgültigen Abkommens erneut behandelt werden müssen. Dennoch war die erreichte gemeinsame Position beider Seiten ein wichtiger Schritt in Richtung Frieden.

Politische Partizipation

Nach Abschluss der ersten Vereinbarung gingen die Gespräche wieder zur Routine der täglichen Zusammenkünfte über, mit Stellungnahmen von Befürwortern und Gegnern des Prozesses. Die Spannung erreichte ihren Höhepunkt am Ende einer der Gesprächsrunden, als die Regierungsdelegation die Aufständischen beschuldigte, die Gespräche zu verzögern und mit exzessiver Rhetorik vor den Mikrofonen Politik zu machen.

Allerdings verging nur wenig Zeit, bis Gerüchte über eine zweite Vereinbarung zu hören waren. Die Erwartung stieg noch weiter mit der Verlängerung eines Verhandlungszyklus über den Zeitplan hinaus - etwas Ungewöhnliches in der Dynamik der Dialoge. Am Mittag des 6. November, nach fast sechs Monaten Diskussionen, berichteten die Delegationen in Havanna, dass sie einen Konsens über die zukünftige politische Partizipation der FARC und anderer Organisationen im politischen Leben der Nation erreicht haben. Damit waren sehr wichtige Themen abgeschlossen, die mit den Ursachen der Gründung der bewaffneten Gruppe vor mehr als einem halben Jahrhundert eng verknüpft sind.

Unter den Punkten, bei denen Übereinstimmung erzielt wurde, sind die Rechte und Garantien für die Ausübung der politischen Opposition und für die neuen Bewegungen, die nach einer endgültigen Vereinbarung gegründet werden, bedeutsam. Damit wird die Tür geöffnet für neue Parteien, die nach Beendigung des Kriegszustandes entstehen, das heißt, für die Umwandlung der bewaffneten Gruppe in eine legale politische Kraft.

Darüber hinaus wurden das Versammlungsrecht, das Recht auf Bewegungs- und Meinungsfreiheit, auf die Freiheit des Gewissens und der Opposition in einer Demokratie anerkannt. Die Vorschläge zu diesen grundlegenden Fragen wurden durch verschiedene Initiativen von seiten der Guerilla eingebracht.

Es geht, wie Iván Márquez sagte, darum, "dass in unserem Land das Recht auf Leben, auf die Differenz, die politische Selbstbestimmung und die Nicht-Stigmatisierung respektiert und Ideen diskutiert werden können, ohne Angst, getötet, verfolgt, entführt oder kriminalisiert zu werden." Es muss daran erinnert werden, dass sich in der Mitte der 1980er Jahre nach Verhandlungen mit der Regierung mehrere kriegführende Gruppen und Organisationen in das zivile Leben integrierten und sich in der Partei Patriotische Union (UP) zusammenschlossen. Ein paar Jahre später waren die Mitglieder der UP nahezu vollständig ausgelöscht.

Die Vereinbarung beinhaltet die Bildung eines Opposition-Statuts, das Garantien für diejenigen bietet, die sich zur Opposition erklären sowie die Schaffung spezieller temporärer Einschreibungen für Wahlen in Gebieten, die vom Krieg besonders betroffen sind, so dass die dortigen Bevölkerungsgruppen eine Vertretung im Repräsentantenhaus erhalten.

Epilog

Im Moment steht der dritte Punkt der Agenda im Zentrum der Diskussion, die Suche nach einer Lösung für das Problem der illegalen Drogen. Die Debatte dreht sich zum einen um die Vernichtung von Anpflanzungen wie der Koka, und zum anderen um die Ursachen des Drogenhandels. "Wenn wir uns einig sind, dass Koka nicht das gleiche ist wie Kokain, ist es unlogisch, dass zur Beendigung des Drogenhandels eine Pflanze ausgerottet werden muss, die der Menschheit zugute kommen kann", sagte Márquez.

Ebenso kritisierten die Aufständischen die Politik der Regierung zur Bekämpfung der Drogen. Diese richtet sich ihrer Auffassung nach nur gegen die Schwachen und lässt die Ursachen des Phänomens außer acht. Bis jetzt sind die einzigen publik gewordenen konkreten Vorschläge und Initiativen, hierzu eine Lösung auf den Weg zu bringen, von der bewaffneten Gruppe gekommen.

Viele sagten voraus, dass bis Ende des Jahres eine endgültige Einigung erzielt oder zumindest fast erreicht sein würde. Selbst Präsident Juan Manuel Santos forderte Ergebnisse für November, doch der reale Zeitbedarf des Friedensprozesses unterwirft sich nicht dem offiziellen Diskurs. Wie die Guerilla es ausdrückte: Das Ende des längsten Konflikts in der Region kann weder politischen Interessen noch Zeitplänen untergeordnet werden.

Für das Jahr 2014 werden die Herausforderungen noch größer sein. Das Erreichte ist ein beispielloser Fortschritt, aber man muss bedenken, dass bisher nur ein Drittel der Agenda behandelt wurde. Es gibt offene Fragen, wie  die Niederlegung der Waffen und zum Umgang mit den Opfern des Konflikts, welche vor der Unterzeichnung einer endgültigen Vereinbarung zu lösen und weder leicht noch rasch zu behandeln sind.

Im kommen Jahr können neue Belastungen aufgrund des kolumbianischen Wahlkalenders auftauchen. Schon bald wird die Maschinerie für die Wahlen, zunächst zum Senat und Repräsentantenhaus und im Mai zur Präsidentschaftswahl, in Gang gesetzt. In Erwartung dessen wurde informell erwogen, die Gespräche bis zur Bekanntgabe der Wahlergebnisses zu pausieren, aber Santos selbst hat diese Möglichkeit verneint, so dass die Gespräche im geplanten Rhythmus fortgesetzt werden.