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Differenziertes Kuba-Bild – mit Lücken

Ein lesenswerter Beitrag aus der Friedrich-Ebert-Stiftung

Im deutschsprachigen Raum gibt es selten lesenswerte Artikel über Kuba. Hierzu gehört nun der gerade erschienene Aufsatz "Kuba: Wie der tropische Sozialismus sein eigenes Erbe riskiert" in einer Fachzeitschrift der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung (Internationale Politik und Gesellschaft, Heft 3 / 2010).

Darin analysiert der Politikwissenschaftler Uwe Optenhögel, Leiter des FES-Büros in Stockholm, in sehr differenzierter und fundierter Weise die Entwicklungen in Kuba der letzten Jahre. Er führt unter Heranziehung anerkannter Quellen wesentliche Probleme und Herausforderungen des Landes auf und wiederholt hierbei meist die Kritiken, die auch in Kuba selbst geäußert und diskutiert werden. Er weist vor allem auf die internen Defizite hin (Ineffizienz und Ineffektivität, Mangel an Investitionen, Korruption, etc.), und erwähnt auch kurz äußere Faktoren (Hurrikans, Weltwirtschaftskrise etc.). In einem Abschnitt über die politischen Kräfteverschiebungen nach dem Abschied von Fidel Castro kommt er zu der Einschätzung:

"Obgleich über die internen Auseinandersetzungen und Machtkonstellationen wenig nach außen dringt, ist eine gewisse Zweiteilung auszumachen in einen konservativen Flügel, der der Parteibürokratie verbunden ist (und möglicherweise die Deckung von Fidel hat), und einer eher technokratisch-unternehmerisch orientierten Fraktion, die aus dem Militär kommt und vor allem auf wirtschaftliche Reformen setzt. Die Zögerlichkeit und das Stückwerk bei eben diesen Reformen sprechen dafür, dass beide Fraktionen sich gegenseitig blockieren.

Die hier beschriebene relative Gleichgewichtigkeit unterschiedlicher Strömungen innerhalb der regierenden PCC dürfte ja wohl der Hauptgrund sein für die wiederholte Verschiebung ihres überfälligen Parteitages. Doch auch hier sind sicherlich äußere Faktoren mit im Spiel: die feindliche Haltung der USA und der Mehrheit der EU erhöhen die Unsicherheit.

Angesichts der überwiegenden Qualität der Analyse sind zwei Defizite umso erstaunlicher, die wohl aus einer eurozentrischen Position erwachsen. Erstens: Die USA tauchen als wichtigster externer Bestimmungsfaktor der Lage und Entwicklungsmöglichkeiten Kubas nur in einer Fußnote auf. Das widerspricht allen Erfahrungen und auch wissenschaftlicher Erkenntnis. Weder werden Blockade, Besatzung auf Guantánamo, Druck und Subversion der USA erwähnt, noch moniert. Zum Zweiten äußert sich Optenhögel erstaunt darüber (und empfindet es als Fehler), dass sich Kuba seit mehreren Jahren stark an Venezuela anlehnt – als habe es dazu eine reale Alternative gegeben, als würde die auf "Regime Change" ausgerichtete neoimperiale Politik der USA und in deren Schlepptau die der EU gute andere Optionen eröffnen.

Die inhumanen Missverhältnisse in unzähligen Staaten der kapitalistischen Peripherie (gerade in Latein- und Mittelamerika) dürften die realistische, wahrscheinliche Hauptoption für ein aus neoliberaler Perspektive "freies" Cuba aufzeigen – und auch dies Wissen und Ahnen dürfte ein guter Grund für den weiterhin großen Rückhalt des sozialistischen Systems in der kubanischen Bevölkerung sein.

Trotz dieser Mängel ist der Aufsatz sehr lesenwert, da er Problemlagen und Politikalternativen fundiert und sachlich erörtert. Bedenkenswert sind auch die abschließenden Sätze: "Im Jahre 2005 hat Fidel Castro selbst davor gewarnt, dass die Revolution nur von innen besiegt werden kann. Um dies zu verhindern und die jetzige Krise zu überwinden, braucht es auf Seiten der Führung Mut und Vertrauen in die eigene Bevölkerung – waren das nicht auch die Voraussetzungen für den Erfolg der Revolution von 1959?"