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Monsanto und die Marihuana-Legalisierung in Uruguay

Eine illegale Droge legalisiert man nicht mal so eben. Die Anwendung des neuen Marihuana-Gesetzes in Uruguay bringt viel Spielraum mit sich. In Nordamerika gibt es so manch einen, der diesen gerne für sich nutzen würde

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Transgenes Cannabis bald im Massenanbau?
Transgenes Cannabis bald im Massenanbau?

Still und heimlich, fern des großen Presserummels, hat Uruguays Präsident José Mujica am 24. Dezember das Gesetz zur Legalisierung von Marihuana unterzeichnet. Etwas Ruhe sollte einkehren zu einem Thema, dass nicht nur in Uruguay vehement diskutiert wurde, sondern auch weltweit für Furore sorgte. Der Durchbruch gelang, als am 10. Dezember 2013 im Senat für das Marihuana-Gesetz gestimmt wurde. Vor dem Senatsgebäude wurden Fahnen mit dem Emblem der Cannabispflanze geschwenkt und auch die Weltöffentlichkeit, die dem kleinen Land sonst wenig Beachtung schenkt, überschlug sich fast vor Lob. Die Wochenzeitung Economist wählte Uruguay zum Land des Jahres 2013, ihr Gegenstück The Guardian rief gar nach einem Friedensnobelpreis für Uruguays Präsidenten Mujica.

Dieser dämpft die Erwartungen. Ein "Experiment ohne Erfolgsgarantie" nennt Mujica die Marihuana-Legalisierung. Er betont immer wieder, dass es nicht darum gehe, "Uruguay zu einem Paradies für Kiffer zu machen", sondern dass illegalen Drogenbanden das Marihuana-Geschäft entrissen werden soll. Besitz und Konsum von Marihuana sind in Uruguay schon länger erlaubt, mit dem neuen Gesetz soll nun Anbau und Verkauf legalisiert und durch den Staat kontrolliert werden. Niedrige Preise sollen illegale Marihuana-Händler vom Markt verdrängen. Uruguay schafft damit als erstes lateinamerikanisches Land eine Alternative zu dem seit US-Präsident Nixon praktizierten "Krieg gegen Drogen", der nicht nur erfolglos ist, sondern dem Kontinent seit Jahrzehnten Gewalt und Mord beschert.

Wie funktioniert es nun?

Doch eine illegale Droge legalisiert man nicht mal so eben. Die Anwendung des Gesetzes wirft Fragen auf.

Wer darf Marihuana konsumieren?

Jeder Staatsbürger, der über 18 Jahre alt ist, ist berechtigt, Marihuana zu kaufen. Er muss sich dazu vorher bei einer staatlichen Datenbank registrieren. So soll der Cannabis-Konsum jedes einzelnen Bürgers gemessen und kontrolliert werden. Kritiker des Marihuana-Gesetzes mokieren, dass Menschen durch die Registrierung abgeschreckt werden und doch wieder auf den Schwarzmarkt zurückgreifen. Weiterhin stell sich die Frage, ob der Konsum von Marihuana auch während der Arbeit erlaub ist? Dürfen etwa Piloten, Busfahrer und Polizisten Gras rauchen? Dies und viele andere Einzelheiten sind noch zu klären. Zudem soll ein Wissenschaftsrat gegründet werden, welcher den Legalisierungsprozess und seine Folgen beobachtet und eventuell Veränderungen vorschlägt.

Wer darf Marihuana verkaufen?

Laut dem Generalsekretär des Nationalen Drogenrates, Julio Calzada, wird das neu gegründete "Institut für Regulierung und Kontrolle von Cannabis" Lizenzen für Produktion und Vertrieb vergeben. Verkauft werden soll das Marihuana in Apotheken und in Cannabis-Clubs.

Wer darf Cannabis anbauen? Und hier kommt die Crux. Hier sollte man genauer hinschauen.

Marihuana – ein lukrativer neuer Markt

Von der Regierung in Auftrag gegebene Studien haben berechnet, dass es in Uruguay um die 150.000 Cannabis-Konsumenten gibt, circa fünf Prozent der Bevölkerung. Marihuana hätte laut selbiger Studie einen Marktwert von 75 Millionen US-Dollar. Durch den erwarteten Drogentourismus steigert sich dieser Wert. Die Legalisierung des Marihuanas ist demnach nicht nur rechtliches Neuland, sondern auch ein neues, umfassendes Marktsegment, für dessen Ausschöpfung sich schon einige die Hände reiben. Denn obwohl Mujica ursprünglich gefordert hatte, auch den Anbau staatlich zu kontrollieren, soll dieser Bereich nun voraussichtlich an private Firme übergeben werden. Diese lassen nicht lang auf sich warten.

Jamen Shively, ehemals Manager bei Microsoft, plant eine Handelsmarke für Marihuana im Stile von Starbucks Kaffee für die US-Bundesstaaten Colorado und Washington. In den beiden Bundesstaaten wurde 2012 der Marihuana-Konsum legalisiert. Das Marihuana wollte Shively aus Mexiko importieren. Da die Gesetzeslage in den USA noch nicht vollständig geklärt und in Mexiko ein legaler Cannabisanbau noch nicht absehbar ist, überlegt Shively nun mit seiner Marke “Diego Pellicer“ in Uruguay zu starten.

Der Unternehmer Brian Laoruangroch aus Seattle plant die Massenproduktion von Marihuana-Zigaretten. Seine Zigarettenmarke "Roach’s" soll die Marlboro für Grasraucher werden. Sobald Uruguay eine klare Gesetzgebung habe, frei von Korruption und Schwarzmarkt, könne er es sich vorstellen, dort Geschäfte zu machen, so Laoruangroch. Andere Geschäftstüchtige liebäugeln damit, Uruguays Marihuana in die USA oder nach Kanada zu importieren.

Woher stammt das Hanf-Saatgut?

Doch ob der Hanfanbau in Uruguay nun staatlich reguliert oder an private Firmen übergeben wird, es bleibt die Frage: Woher generiert man in kürzester Zeit das Saatgut? In diesem Zusammenhang kursiert im Internet immer wieder ein Name, der bis vor kurzem in Uruguay noch recht unbekannt war: George Soros.

Der aus Ungarn stammende 83-jährige Finanzinvestor steht laut der Forbes-Liste auf Rang 19 der Reichsten der Welt. Besondere Berühmtheit erreichte Soros, als er durch Spekulationen gegen das Pfund die britische Zentralbank in die Knie zwang. Außerdem ist Soros selbsterklärter Philanthrop.

Als sich Uruguays Präsident Mujica diesen September einen Tag vor seinem Auftritt bei der UN-Vollversammlung in New York mit Soros traf, wurden in vielen Webportalen die Alarmglocken geläutet. Ein Mann wie Soros plaudert nicht ohne weitergehende Absichten. Ein 45-minütiger Ideenaustausch soll es gewesen sein.

Die Legalisierung von Marihuana sei ein wichtiger Schritt, um weltweit Schaden abzuwenden, so Soros. Deswegen unterstützt er diese mit seiner Stiftung Open Society. 34 Millionen US-Dollar investierte Open Society in Lateinamerika, davon 10 Prozent für die Legalisierung von Marihuana. In Uruguay finanzierte die Open Society über die Organisation "Regulación Responsable" eine nationale TV-Kampagne für die Marihuana-Legalisierung.

Der Regierung Uruguays bot Soros an, eine Bildungskampagne gegen Drogenmissbrauch zu finanzieren. Soweit so gut. Auch Finanzmagnate können Herz zeigen. Doch hat die Sache noch einen kleinen Haken…

Monsanto

Der Saatgut-Multi aus Missouri machte in den letzten Jahren durch seine Monopolstellung bei der Produktion von gentechnisch verändertem Saatgut, Knebelverträgen mit Landwirten sowie mit gekauften Studien von sich reden. Einer der größten Anteilseigner von Monsanto ist George Soros.

Schon seit längerem wird befürchtet, dass der Agrarkonzern ein Patent auf genverändertes Cannabis-Saatgut plant. "Monsanto hat seinen Fokus nicht in diesem Bereich", erklärte Monsanto-Sprecher Darren Walli und fügte hinzu, dass selbst wenn sich dies ändern sollte, es weitere Jahre bräuchte, um massentaugliches Saatgut zu entwickeln. Doch so ganz stimmt Wallis Aussage nicht. Denn gentechnische Forschung zu Hanfpflanzen gibt es schon seit ein paar Jahren, und Monsanto scheint indirekt daran beteiligt zu sein:

In Holland hat der Wissenschaftler David Watson mit seiner Firma HortaPharm seit 1990 die größte Sammlung an Cannabis-Variationen geschaffen. 1998 verkündete der britische Konzern GW Pharma, dass er mit HortaPharm ein Abkommen geschlossen habe und nun Zugang zu der Cannabis-Sammlung erhält. 2003 schlossen GW Pharmaceuticals und Bayer Incorporated ein Abkommen, um gemeinsam an einem auf Cannabis basierendem Extrakt zu arbeiten. 2007 beschlossen wiederum Monsanto und Bayer einen gegenseitigen Technologie-Austausch. Darunter fällt auch die RNAi-Technologie, die in Hinblick auf die genetische Veränderung von Cannabispflanzen interessant ist. 2009 verkündete GW Pharma, dass es gelungen sei, eine Cannabispflanze "künstlich zu manipulieren" und eine neuartige Cannabispflanze zu patentieren.

Warum sollte ein Unternehmen in die Kreation neuartiger Cannabispflanzen investieren, wenn es nie die Möglichkeit hat, diese auch legal anzupflanzen?

In Kolumbien sollen Bauern schon seit mehreren Jahren genmanipuliertes Hanf kultiviert haben. Das Saatgut mit den Namen "Cripa" soll aus den USA importiert worden sein. In Kanada wurde Cannabis seit 2003 zu medizinischen Zwecken legalisiert, die Pflanzen für den Verkauf sollen aus staatlichen Laboren stammen. Das Onlinemagazin CannabisCulture zitiert eine anonyme Quelle aus dem kanadischen Gesundheitsministerium, die aussagt, dass in den Laboratorien Samen von der Universität Mississippi benutzt werden, deren Gene wiederum von Monsanto stammen.

Mujica sei wachsam!

Dies alles können Gerüchte sein. Panikmache im Internet. Doch kann man nicht abstreiten, dass ein Konzern wie Monsanto durchaus Interesse haben könnte, Uruguay mit Cannabis-Saatgut zu versorgen. Und die Tatsache, dass einer der Hauptanteilseigner selbiger Firma in den USA und nun auch in Uruguay Kampagnen und Organisationen zur Marihuana-Legalisierung finanziert, lässt Verdacht aufkommen.

Denn mit Uruguay findet sich nun endlich ein legaler Abnehmer für Hanf-Saatgut. Seien es nun staatliche Agraranlagen, Bauernkooperativen oder private Firmen, die Cannabis anbauen werden, irgendwoher müssen sie ihr Saatgut beziehen. Präsident Mujica wünscht sich einen einzigartigen genetischen Code für die Pflanzen, um sie von der Schwarzmarktware zu unterscheiden. Ein Hanf-Saatgut à la Monsanto würde sich da anbieten. Übrigens baut Monsanto in Uruguay schon seit Jahren Mais und Soja an. Auch die südamerikanische Agrarfirma Adecoagro, bei der George Soros ebenfalls Anteilseigner ist, baut in Uruguay Sojabohnen und Sonnenblumen für Biosprit an.

Die Geschichte zeigt, mit der Legalisierung des Marihuanas ist es noch nicht getan. Vieles hängt nun von der Anwendung des Marihuana-Gesetzes ab. Damit Mujicas "Experiment" gelingt, darf Marihuana nicht zur Spielwiese transnationaler Unternehmen werden.