Deutsche Medien: Wollt Ihr den definitiven Hitler-Vergleich?

Zu Chávez' angeblichem Hitler-Vergleich mit Angela Merkel

Was konnten wir nicht alles über Hugo Chávez' Äußerungen zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel lesen: "Chavez beschimpft Merkel als Nachfahrin Hitlers" titelte tagesschau.de und auf der Internetseite des Hamburger Nachrichtenmagazins Der Spiegel war gar zu lesen: "Hitler-Vergleich. Merkel lässt Chávez-Provokationen abtropfen". Alle diese Titel erschienen am 12. Mai 2008. Am selben Tag veröffentlichte die rechte Tageszeitung Die Welt eine Übersetzung, die die Deutsche Presse-Agentur (DPA) von der entsprechenden Passage aus Chávez' Fernsehsendung "Aló presidente" angefertigt hatte. Dort heißt es:

"Übrigens, wenn wir von Deutschland sprechen: die deutsche Kanzlerin, die der deutschen Rechten angehört, der selben Rechten, die Hitler unterstützt hat, den Faschismus, das ist die Kanzlerin von Deutschland heute, [...]"

Wo, bitte schön, vergleicht der venezolanische Präsident seine deutsche Amtskollegin mit Hitler oder "beschimpft" sie als Nachfahrin des "Führers"?

Wer jedoch den definitiven Hitler-Vergleich in diesem Zusammenhang sucht, wird bei Merkels CDU fündig. Am 20. März 2004 sagte der damalige Bundestagsabgeordnete Klaus-Jürgen Hedrich im Interview mit der Tageszeitung junge Welt:

"Man darf Hitler und Chávez nicht vergleichen, denn Hitler steht für den Holocaust. Aber es gibt eine übereinstimmende Erfahrung: Hitler und Chávez wurden beide demokratisch gewählt und haben schrittweise die Demokratie außer Kraft gesetzt. Alles andere spielt keine Rolle."

PISA lässt grüssen: Hitler wurde nicht zum Reichskanzler gewählt, sondern am 30. Januar 1933 vom Reichspräsident Paul von Hindenburg dazu ernannt. Das ist aber auch egal, denn wenn es darum geht, dass Chávez weg muss, egal wie, dann kann ein CDU-Politiker wie Hedrich noch ganz andere Töne anschlagen. Am 2. Mai 2004 sagte er der neokonservativen US-Tageszeitung Washington Times:

"Früher oder später können Sie [die US-Amerikaner, IN] mit Chavez [sic] nicht weitermachen, so wie er sich benommen hat. Wenn die Frage sein sollte, es früher oder später zu tun, dann tun Sie es früher. Später wird die Überraschung geringer sein."

Solche Äußerungen stehen in jener Kontinuität, die Merkels Partei bereits an den Tag legte, als sie 1973 gemeinsam mit dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt half, den Militärputsch gegen den chilenischen Präsidenten Salvador Allende vorzubereiten. Der SPD-Kanzler kappte die Entwicklungshilfe, CDU-Bundestagsabgeordnete schafften Gelder für die regierungsfeindlichen Kräfte nach Chile. Anschließend redeten beide Parteien das Massaker an Tausenden von Chilenen schön. Die Details lassen sich im Sachbuch "Venezuela not for sale" (Berlin 2006) nachlesen.

Und angesichts der offensichtlichen Unkenntnis der deutschen Geschichte, die auch in manchen Redaktionsstuben vorzuherrschen scheint, noch ein paar kleine Hinweise zwecks weiterer Recherchen: die CDU stellt sich in die Tradition der katholischen und konservativen Zentrumspartei, die zwar mit der NSDAP um die Macht im Reich kämpfte, sich ihr aber letztendlich anschloß, als es gegen Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten ging. Das "Zentrum" unterstützte Hitlers Ermächtigungsgesetz. Eines seiner Mitglieder, Hans Globke, wechselte das Parteibuch und schrieb an den Nürnberger Rassegesetzen mit. 1949 wurde er Berater des CDU-Vorsitzenden und ersten Kanzlers der Bundesrepublik Konrad Adenauer, ebenfalls einem Zentrumsmitglied. Adenauer verkörperte das Nazi-Opfer, weil Hitlers Schergen ihn 1933 aus dem Amt des Kölner Oberbürgermeisters vertrieben und die Gestapo ihn 1944 kurzfristig festnahm. Wie Globke "recycelte" Adenauers Regierung noch ganz andere Nazis. "Fachleute" aus Gestapo und Polizei, SS und Sicherheitsdienst fanden neue Jobs bei den Geheimdiensten und dem Bundeskriminalamt. 1966 erweiterte das ehemalige "Parteimitglied" Kurt Georg Kiesinger die Liste der CDU-Bundeskanzler. Wegen seiner Tätigkeit als Verbindungsmann zwischen den Propagandaabteilungen des NS-Außenministeriums und Goebbels Ministerium für Volksaufklärung ohrfeigte ihn die Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld öffentlich.

Es gibt also genügend Material, um sich mit den braunen Spuren der CDU in Vergangenheit und Gegenwart zu beschäftigen, anstatt nicht haltbare Hitler-Vergleiche in die Welt zu setzen.