Informationsengpässe bei Spiegel Online

Ursache des Konfliktes um Lebensmittelengpässe liegt nicht primär in der Preiskontrolle

Seit Monaten beschäftigen immer wiederkehrende Lebensmittelengpässe die venezolanische Innenpolitik. Vor wenigen Tagen nun griff auch Spiegel Online (SPON) das Phänomen in einer redaktionell bearbeiteten AFP-Meldung auf. Anlass war ein Abkommen zwischen Caracas und der Regierung von Paraguay über gegenseitige Lebensmittellieferungen. Über die Hintergründe des Mangels in Venezuela aber wird der Leser im Unklaren gelassen. Es sei "Globalisierung absurd", was in Venezuela ablaufe, schreibt ein SPON-Mitarbeiter mit dem Kürzel "sil". Am Ende des Textes dann heißt zu dem Konflikt:

"Venezuelas Präsident Hugo Chávez hatte den Lebensmittelherstellern zuletzt mit Verstaatlichung gedroht, sollte sich die Lebensmittelknappheit weiter ausweiten. Die Exporteure machen für den Engpass hingegen die seit fünf Jahren geltenden staatlichen Preisvorschriften verantwortlich. Diese machen es lukrativ, Lebensmittel auszuführen und sie dort zu höheren Preisen zu verkaufen."

Tatsächlich liegt die Ursache des Konfliktes nicht primär in der Preiskontrolle (auch wenn darüber durchaus gestritten wird). Regierungsvertreter in Venezuela weisen seit geraumer Zeit darauf hin, dass

1.die Waren vorsätzlich exportiert oder zurückgehalten werden, um eine künstliche Verknappung zu erreichen und 2.das Problem in den privaten Medien stark übertrieben dargestellt wird.

In der Sendung "En Confianza" des staatlichen venezolanischen Sender VTV zog der chilenische Politiker Patricio Palma unlängst die Parallele zu der Situation in seinem Land Anfang der 1970er Jahre, kurz vor dem Putsch gegen Präsident Salvador Allende. Auch damals hätten Unternehmer den Warenfluss manipuliert, um politische Unruhe zu stiften, sagte der Vertreter der Kommunistischen Partei Chiles. Auch in Venezuela ist das Vorgehen nicht neu. Während einer groß angelegten Sabotageaktion der Opposition zum Jahreswechsel 2002/2003 standen private Supermärkte schon einmal im Visier der Regierungsgegner. Damals musste die Armee wiederholt einschreiten, um angeblich nicht vorhandene Waren auszuliefern.

In den aktuellen Beitrag von Spiegel Online nun fügt Redaktionsmitglied "sil" den Hinweis ein, Präsident Chávez habe den Lebensmittelherstellern mit Verstaatlichung gedroht. Von der politischen Vorgeschichte erfährt der Leser bei Spiegel Online jedoch nichts.