Berlin droht Lateinamerika mit Kooperation

Außenminister Westerwelle stellte Grundsatzpapier zur Zusammenarbeit vor. Kritik von Organisationen und Oppositionsparteien

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Homepage des Außenamtes: Topthema ist die neue "LAK-Strategie"
Homepage des Außenamtes: Topthema ist die neue "LAK-Strategie"

Berlin. Die Bundesregierung will ihr Engagement in Lateinamerika ausweiten. Das gab Außenminister Guido Westerwelle am Mittwochnachmittag in Berlin bekannt. Kurz zuvor hatte das Regierungskabinett die neue Strategie gegenüber Lateinamerika und der Karibik beschlossen. Das 63-seitige Dokument ersetzt das bisher gültige Papier aus dem Jahr 1995.

Die betonte Zuwendung zu den Ländern Lateinamerikas und der Karibik mit rund 500 Millionen Einwohnern begründete Westerwelle in erster Linie mit der wachsenden Bedeutung der regionalen Volkswirtschaften. Vor allem Mexiko und Brasilien hätten in den vergangenen Jahren mehr politisches und wirtschaftliches Gewicht bekommen, sagte der liberale Politiker. Ihm gehe es darum, den lateinamerikanischen Aufschwung für die deutsche Wirtschaft "bestmöglich zu nutzen".

Die jetzt ausgeführte Fokussierung auf wirtschaftliche Interessen stößt bei Fachorganisationen nicht unbedingt auf Zustimmung. In "erfrischender Klarheit" habe Minister Westerwelle erklärt, dass es beim bilateralen Verhältnis "ausschließlich um die wirtschaftliche Interessenpolitik geht", sagte im Gespräch mit amerika21.de Andrés Schmidt vom Ökumenischen Büro in München. Die verstärkten Anstrengungen Westerwelles in Bezug auf Lateinamerika seien eher vonnöten, "weil der Kontinent sich aus kolonialer Abhängigkeit befreit und der EU dort die Felle davonschwimmen", so Schmidt, der eine "aggressive Haltung" deutscher Parteistiftungen gegen anti-neoliberale Ansätze in Südamerika konstatiert.

Tatsächlich hat die Politik der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Mittelamerika, der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in El Salvador und der der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Südamerika in den vergangenen Jahren für massive Proteste gesorgt.

"Beim neuen Konzept scheinen mal wieder die deutschen Wirtschaftsinteressen zu dominieren", sagte gegenüber amerika21.de indes der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Thilo Hoppe: "Eine Politik, die eine nachhaltige Entwicklung fördert, die auch den Armen zu Gute kommt und das Klima schützt, sieht anders aus." Die Bundesregierung folge nach wie vor dem Liberalisierungsdogma.

Alexander King, Referent für Entwicklungspolitik bei der Bundestagsfraktion der Linkspartei, spricht von einer enttäuschenden Präsentation. Westerwelle habe "deutlich gemacht, was die Bundesregierung an Lateinamerika interessiert: Der Zugang zu einem dynamisch wachsenden  Markt von über 500 Millionen potenziellen Konsumenten und Bündnisspartner für mehr Anteil am internationalen Power-Sharing".
 
Es sei interessanter, was die Bundesregierung offenbar nicht interessiert, so King weiter: Keine Rede sei von der sozialen Entwicklung beider Kontinente gewesen, etwa von der Durchsetzung des erst vor einigen Tagen mit Zustimmung der Bundesregierung anerkannten Menschenrechts auf Wasser, oder anderen sozialen Herausforderungen. "Keine Rede war auch von der Süd-Süd-Integration, die sich in Lateinamerika derzeit vollzieht und die große Entwicklungspotenziale birgt, und natürlich schon gar nicht von den sozialen Errungenschaften, die in Lateinamerika erzielt werden konnten, und die durch internationale Zusammenarbeit unterstützt werden sollten", so der Linkspartei-Vertreter.

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