Argentinien / Politik

Argentinien zwischen Trauer und Courage

Der Tod des ehemaligen Präsidenten Néstor Kirchner erschüttert das südamerikanische Land. Impressionen aus der Hauptstadt

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Spontane Trauerkundgebung auf der Plaza de Mayo am Mittwoch
Spontane Trauerkundgebung auf der Plaza de Mayo am Mittwoch

Buenos Aires. Der plötzliche Tod des ehemaligen Präsidenten Néstor Kirchner bewegt Argentinien. Die Regierung verhängte drei Tage Staatstrauer, selbst die Fußballliga wird am kommenden Wochenende pausieren.

Zehntausende Menschen versammelten sich am gestrigen Mittwoch im Zentrum der Hauptstadt Buenos Aires, um zu trauern und der amtierenden Präsidentin und Ehefrau Kirchners, Cristina Fernández de Kirchner, ihren Beistand zuzusichern. "Danke Néstor" und "Sei stark Cristina" waren häufig zu lesende Losungen. Immer wieder skandierte die Menge politische Slogans zur Unterstützung des politischen Reformprojekts, das die Kirchners repräsentieren.

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Zu der massiven Kundgebung aufgerufen hatten linksperonistische Organisationen und soziale Bewegungen. Bereits am frühen Nachmittag füllte sich der vor dem Präsidentenpalast, der  Casa Rosada, gelegene Platz Plaza de Mayo. Da zahlreiche Menschen aufgrund der am selben Tag stattfindenen Volkszählung erst spät das Haus verlassen konnten, begann die Kundgebung offiziell erst ab 20 Uhr. Sämtliche Nebenstraßen waren zu diesem Zeitpunkt schon überfüllt. Zu später Stunde reisten weitere Anhänger Kirchners aus den Provinzen an. Viele wollten über Nacht auf der Plaza de Mayo bleiben, um auf die Überführung der sterblichen Überreste Kirchners zu warten, der sich zum Zeitpunkt seines Todes im Süden des Landes aufhielt.

Über Parteigrenzen hinweg löste der Tod Néstor Kirchners rege Anteilnahme in der argentinischen Gesellschaft aus. Auch die zentralen Gegenspieler der Kirchners bekundeten ihr Beileid, betonten jedoch gleichsam die politischen Differenzen. Was Kirchners Tod für die Politik des Landes bedeutet, ist noch nicht absehbar. 2011 finden in Argentinien Präsidentschaftswahlen statt. Bisher war noch nicht klar, wer von den beiden Kirchners für das peronistische Regierungsbündis Frente para la Victoria antreten würde. Das Ehepaar dominierte in den letzten Jahren die argentinische Politik. Der Ex-Präsident war als Vorsitzender der peronistischen Partei (Partido Justicialista) und Abgeordneter im Parlament nach wie vor eine der zentralen politischen Figuren. Der Opposition, zu der auch ein Teil des heterogenen peronistischen Spektrums gehört, mangelt es bisher an Geschlossenheit und einem aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten.

Néstor Kirchner hatte 2003 mit nur 22 Prozent der Stimmen das Präsidentenamt übernommen. Der Sieger des ersten Wahlganges, Ex-Präsident Carlos Menem, war in der Stichwahl nicht mehr angetreten. Trotz der anfangs schwachen Legitimation konnte Kirchner in den folgenden Jahren seine Macht festigen und politische Verdienste vorweisen. In seine Amtszeit fällt die ökonomische Stabilisierung nach dem Staatsbankrott 2001. Die Schuldenkrise konnte durch entschlossenes Vorgehen der Regierung entschärft werden, sämtliche Schulden beim verhassten Internationalen Währungsfonds (IWF) wurden vorzeitig zurückgezahlt. Bekannt und beliebt war Kirchner vor allem für sein entschlossenes Eintreten für die Menschenrechte. Während seiner Präsidentschaft wurden die sogenannten Schlusspunktgesetze annulliert, was den Weg für eine juristische Aufarbeitung der während der Militärdiktatur (1976 bis 1983) begangenen Verbrechen frei machte.

Kritiker warfen Kirchner indes einen populistischen und autoritären Regierungsstil vor, der sich durch eine ausgeprägte Nutzung von Präsidialdekrete kennzeichnete. Bei der Präsidentschaftswahl 2007 trat seine Frau Fernández de Kirchner an und gewann deutlich.

Neben seiner politischen Arbeit in Argentinien war Néstor Kirchner, der sich bereits als argentinischer Präsident für die lateinamerikanische Integration stark gemacht hatte, seit Mai dieses Jahres der erste Generalsekretär der Union Südamerikanischer Staaten (UNASUR). Am Mittwochvormittag erlag er im Alter von 60 Jahren einem Herzstillstand.