Linker Journalist in Venezuela verhaftet

In Schweden anerkanntem politischem Flüchtling droht Auslieferung nach Kolumbien. Linke Basis fordert Freilassung Joaquín Pérez Becerras

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Logo der kolunbianischen Nachrichtenagentur ANNCOL
Logo der kolumbianischen Nachrichtenagentur ANNCOL

Caracas. Der Mitarbeiter des  kolumbianischen Nachrichtenportals ANNCOL, Joaquín Pérez Becerra, ist am Wochenende auf dem internationalen Flughafen "Simón Bolívar" bei Caracas festgenommen worden. Dies gab das venezolanische Innen- und Justizministerium am Samstag in einem Kommuniqué bekannt. Die Festnahme erfolgte bei seiner Einreise mit einem Linienflug aus Frankfurt. Nun droht dem Journalisten die Ausweisung nach Kolumbien. Der kolumbianische Staat beschuldigt Becerra der "Finanzierung des Terrorismus und der Verwaltung von Finanzmitteln für terroristische Aktivitäten" und gibt an, einen Interpol-Haftbefehl erwirkt zu haben. Die venezolanische Regierung bekräftigte nach der Festnahme "ihre felsenfeste Verpflichtung im Kampf gegen Terrorismus, Kriminalität und organisiertes Verbrechen“.

Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos erklärte gegenüber der Presse, er habe Präsident Chávez persönlich um die Verhaftung Becerras gebeten. Pérez Becerra sei "der Rädelsführer der internationalen Front der FARC", so Santos. Als solcher "war er seit vielen Jahren der Verantwortliche für diese schlimme Propaganda, die die FARC gegen Kolumbien in Europa gemacht hat. Wir waren seit langem hinter ihm her". In kolumbianischen Medien wird Becerra als "einer der Sprecher der FARC in Europa" bezeichnet. Die Sicherheitsbehörden hätten Beweise gegen ihn auf dem Computer des FARC-Kommandanten Raúl Reyes gefunden, auf die sich der Haftbefehl stütze.

Raúl Reyes kam im März 2008 bei einem Angriff des kolumbianischen Militärs auf ecuadorianischem Staatsgebiet ums Leben. Bei dieser Operation wurde nach offiziellen Angaben sein Computer beschlagnahmt. Dessen angebliche Inhalte dienen seitdem der kolumbianischen Regierung wahlweise zu Attacken gegen die Präsidenten Venezuelas und Ecuadors oder zur Kriminalisierung sowohl von Politikern in Kolumbien, die sich für eine politische Lösung des Konfliktes einsetzen, als auch von in Europa lebenden politischen Flüchtlingen aus Kolumbien und deren Öffentlichkeitsarbeit.

Joaquín Peréz Becerra ist ein bekannter Journalist. Seit 1994 lebt er als anerkannter politischer Flüchtling in Schweden und besitzt seit zehn Jahren die schwedische Staatsbürgerschaft. Becerra ist Mitarbeiter der 1996 gegründeten Nachrichtenagentur ANNCOL. Das venezolanische Nachrichtenportal Aporrea berichtet, dass Becerra in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre für die Union Patriótica (UP) Kolumbiens Stadtverordneter im Bezirk Corinto war. Die UP wurde 1985 als Versuch einer politischen Lösung des internen bewaffneten Konflikts in Kolumbien gegründet und sammelte die linken Kräfte des Landes. In den folgenden Jahren musste die UP den Versuch des legalen politischen Kampfes mit mehreren tausend ermordeten Parteimitgliedern bezahlen.

Der in Honduras lebende schwedische Journalist Dick Emanuelsson berichtet, dass Joaquín Pérez Becerra an der Gründung der Solidaritätsorganisation Asociación Jaime Pardo Leal (AJPL) und deren Radiostation Café Stereo in Schweden beteiligt war. Demnach organisierte Becerra Vorträge und Konferenzen in verschiedenen europäischen Ländern, um über die Lage in Kolumbien zu informieren. Um eine Auslieferung von Becerra an Kolumbien zu verhindern, hätte sich am Sonntag die schwedische Botschafterin in Kolumbien, Lena Nordström, und der schwedische Konsul in Venezuela an die venezolanische Regierung gewandt, so Emanuelsson. Es ginge ihnen darum klarzustellen, dass Joaquín Pérez Becerra keineswegs mehr kolumbianischer, sondern schwedischer Staatsbürger ist.

Im Laufe des Sonntags haben sich verschiedene politische Strukturen in Venezuela mit einem Aufruf an die bolivarische Regierung gewandt. Darin fordern unter anderem die Coordinadora Simón Bolívar und die Sozialistischen Bolivarischen Zirkel, Becerra nicht an Kolumbien auszuliefern, sondern ihn sofort freizulassen. Auch Café Stereo hat einen Aufruf zur internationalen Solidarität mit Joaquín Pérez Becerra veröffentlicht.