1. Mai zwischen Lohnerhöhungen und Repression

In ganz Lateinamerika gingen an diesem 1. Mai wieder Arbeiterinnen und Arbeiter auf die Straße

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García Linera und Morales
Dem Markt nicht mehr schutzlos ausgeliefert: Präsident Evo Morales (re.) und sein Vize Álvaro García Linera heben Privatisierungsdekret von 1985 auf.

Lateinamerika. Für Arbeitsrechte, gegen Repression und hohe Lebenskosten, in einigen Fällen auch zur Unterstützung der Regierung: Wie jedes Jahr demonstrierten an diesem 1. Mai wieder zahlreiche Menschen in allen lateinamerikanischen Ländern .

In Venezuela gingen Unterstützer und Gegner der Regierung wie üblich getrennt auf die Straße. Hunderttausende Chavisten demonstrierten im Westen der Hauptstadt Caracas, während sich der oppositionelle Gewerkschaftszusammenschluss CTV und die politischen Parteien im wohlhabenderen Osten in Bewegung setzten. Beide Veranstaltungen blieben friedlich. Die Themen kreisten wie immer um die Unterstützung beziehungsweise Ablehnung der Regierungspolitik. Im Vorfeld des 1. Mai hatte Präsident Hugo Chávez eine insgesamt 26,5 prozentige Anhebung des Mindestlohns in diesem Jahr angekündigt. Für mittlere und höhere Staatsangestellte wurde der Lohn sogar um 45 Prozent angehoben. Auf seiner Rede am Sonntag kündigte Chávez zudem an, ein Job-Programm ins Leben rufen zu wollen.

In Bolivien feierte Präsident Evo Morales die Verstaatlichung der Erdöl- und Gasvorräte, die vor fünf Jahren am Ersten Mai vollzogen worden war. Während der Feierlichkeiten unterzeichnete er die Aufhebung eines Dekretes von 1985, das als rechtliche Basis für die Privatisierung der Wirtschaft galt. Zahlreiche Gesetze, etwa in den Bereichen Bergbau und Arbeitsrecht, würden nun erneuert werden, sagte Morales. Der bolivianische Gewerkschaftsdachverband COB, der die Aufhebung des Privatisierungsdekretes gefordert hatte, demonstrierte getrennt von der Regierung.

In Ecuador stand bei den Demonstrationen von Anhängern und Gegnern der Regierung Correa neben arbeitsrechtlichen Forderungen vor allem die anstehende Volksbefragung im Mittelpunkt. Am kommenden Samstag soll über einige Verfassungsänderungen abgestimmt werden.

Der uruguayische Gewerkschaftsdachverband PIT-CNT rief die Regierung dazu auf, den Reichtum gerechter zu verteilen, eine produktive Wirtschaft zu unterstützen und die Arbeiter besser auszubilden. Auf der argentinischen Seite des Río de la Plata hielten der peronistische Gewerkschaftsdachverband CGT und der alternative Zusammenschluss CTA getrennte Kundgebungen ab, auf denen sie jeweils der Regierung von Cristina Fernández ihre Unterstützung versicherten. Auf der massiven Kundgebung des CGT forderte deren Vorsitzender, Hugo Moyano, die Präsidentin dazu auf, sich offiziell für die Wiederwahl im Oktober zu entscheiden.

Im Nachbarland Brasilien hatte der Gewerkschaftsdachverband CUT zu dezentralen Aktionen im ganzen Land aufgerufen, an denen die Demonstrationen oft mit kulturellen Elementen ergänzt wurden. Auf den Kundgebungen der Gewerkschaften sprachen auch Vertreter der regierenden Arbeiterpartei PT.

Im Zentrum Mexiko Stadts trugen unabhängige Gewerkschaften symbolisch die Arbeitsreform zu Grabe und sprachen sich deutlich gegen die als repressiv eingestufte Arbeits- und Sicherheitspolitik der rechten Regierung unter Felipe Calderón aus. Bei einem Zwischenfall verletzten sich elf Menschen, als das Metallgestänge hinter einem Pavillon in sich zusammenfiel.

In Zentralamerika gingen Gewerkschaften und linke Organisationen vor allem gegen die hohen Lebenskosten und für mehr gewerkschaftliche Rechte auf die Straßen. In Honduras forderte die Widerstandsbewegung zudem die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung, die Rückkehr des 2009 gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya und den Wiedereintritt in das linke Staatenbündnis ALBA.

Eine Massendemonstration, an der mehrere Millionen Menschen teilnahmen, fand wie jedes Jahr in Kuba statt. Unter dem Slogan "Einheit, Produktivität, Effizienz" gingen die Demonstrierenden zur Unterstützung der arbeitsrechtlichen Reformen auf die Straße, durch die moderate privatwirtschaftliche Anreize geschaffen werden sollen. Auch die Aufhebung US-Blockade wurde gefordert.

Während es auf den meisten Kundgebungen friedlich blieb, kam es in Chile und Kolumbien zu Ausschreitungen. In Santiago de Chile wurden auf der vom Gewerkschaftsdachverband CUT organisierten Demonstration mindestens zehn Personen verhaftet. Tausende Menschen protestierten vor allem gegen die neoliberale Arbeitsmarktpolitik der Regierung von Sebastián Piñera und hohe Kosten für Bildung.

Auch in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und der Polizei. Zu Großdemonstrationen in Bogotá und Cali hatten verschiedene Gewerkschaften aufgerufen. Neben einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen, forderten die Demonstranten die Garantie der Menschenrechte. Mit mehr als 500 Morden in den vergangenen zehn Jahren gilt Kolumbien weltweit als das gefährlichste Land für Gewerkschafter. Aufgrund der prekären Situation sind gerade einmal fünf Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter gewerkschaftlich organisiert.