Brasilien: Anwaltsvereinigung klagt gegen AKW-Bau

OAB will wegen des umstrittenen Atomkraftwerkes Angra 3 vor dem Obersten Gerichtshof ziehen. Proteste auch in Deutschland

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Demonstranten vor dem Bundeskanzleramt in Berlin
"Kein Exportkredit für Angra 3!" Protest vor dem Kanzleramt in Berlin am 6. Juli 2011

Brasília/Berlin. Die brasilianische Anwaltsvereinigung Ordem dos Advogados do Brasil (OAB) erklärte am 4. Juli, dass sie gegen den Bau des umstrittenen

Atomkraftwerkes (AKW) Angra 3 bei Rio de Janeiro vor dem Obersten Gerichtshof (STF) Klage einreichen werde. Dies berichtet die Tageszeitung Diário do Vale in ihrer Internetausgabe vom 5. Juli. Demnach plane die OAB eine Verfassungsklage wegen Nichtbefolgung einer grundlegenden Verfassungsbestimmung ("Arguição de Descumprimento de Preceito Fundamental" - im Portugiesischen auch oft als ADPF abgekürzt).

Hintergrund der Verfassungsklage liege in der fehlenden Zustimmung des Kongresses zum Bau des Atomkraftwerks, so die Anwaltsvereinigung. Als der Bau von Angra 3 in den 1970er Jahren, zur Zeit der Militärdiktatur, beschlossen wurde, reichte formal die Regierungsentscheidung aus. Der Kongress sei nie beteiligt worden, kritisiert die Anwaltsvereinigung. Wenn die Regierung nun aber die Mitte der 1980er Jahre unterbrochenen Bauarbeiten wieder aufnehmen lasse, so ergebe sich eine neue Sachlage, die vor dem Hintergrund der im Jahre 1988 verabschiedeten brasilianischen Verfassung die Zustimmung der beiden Kammern des Kongresses verpflichtend mache, so die OAB.

Indessen kam es auch in Deutschland zu Protesten gegen das brasilianische Atomkraftwerk. In der Hauptstadt Berlin versammelten sich schätzungsweise 50 Atomkraftgegner vor dem Kanzleramt, um gegen die Hermes-Exportkreditzusage der deutschen Bundesregierung für den Bau des AKW Angra 3 zu protestieren. Die Demonstranten hatten 125.000 Unterschriften gesammelt, um von der Bundesregierung die Rücknahme der Finanzierung des brasilianischen Risikoreaktors einzufordern. Im Juli muss das Bundeskabinett erneut über eine Verlängerung der Grundsatzzusage des Exportkredits über die Bürgschaft von 1,3 Milliarden Euro für die Atomtechnologie Arevas entscheiden.

Erst Ende Juni hatte Brasiliens staatliche Entwicklungsbank BNDES die erste Kreditzahlung in Höhe von 200 Millionen Reais (etwa 88 Millionen Euro) für den Bau des AKW Angra 3 an die Firma Eletrobrás Termonuclear S.A überwiesen. Angra 3 soll insgesamt 9,9 Milliarden Reais (4,38 Milliarden Euro) kosten, von denen 75 Prozent von brasilianischer Seite als Kredit zur Verfügung gestellt werden sollen.

Im März dieses Jahres war bekannt geworden, dass das brasilianische Atomkraftwerk Angra 2 seit Inbetriebnahme im Jahre 2000 ohne Betriebsgenehmigung läuft. Das von Siemens/KWU gebaute Angra 2 habe demnach nur die Genehmigung für die Betriebsaufnahme (Autorização de Operação Inicial - AOI), aber nicht die Genehmigung für den dauerhaften Betrieb (Autorização de Operação Permanente - AOP). Die Umweltbehörde Ibama sieht Angra 2 in einer Situation der "ausgelaufenen Betriebsgenehmigung". Die Nuklearbehörde Cnen hingegen sieht das Problem bei Ibama: Das Umweltamt müsse zuerst die Umweltprüfung abschließen, erst dann könne die Behörde Cnen ihrerseits die Genehmigung erteilen. Dies ist in den letzten zehn Jahren nicht geschehen. Angra 2 produziert weiter ungehindert und ohne Genehmigung Elektrizität – und Atommüll für die nächsten Jahrtausende.