Kritik am Brasiliengeschäft bei Thyssen Krupp

Kritische Aktionäre fordern auf Hauptversammlung neue Unternehmenskultur und Entschädigung für Fischer in Rio

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Protest vor der Thyssen-Krupp-Hauptversammlung in Bochum
Protest vor der Thyssen-Krupp-Hauptversammlung in Bochum

Bochum. Das Stahlwerk in Rio de Janeiro bleibt im Besitz von Thyssen Krupp. Zumindest vorerst, denn "jedes unserer Geschäfte muss sich jedes Jahr

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Heinrich Hiesinger auf der Hauptversammlung
Heinrich Hiesinger auf der Hauptversammlung

in einem Strategieprozess einer Überprüfung stellen", sagte Vorstandschef Heinrich Hiesinger am Freitag auf der Hauptversammlung des Konzerns in Bochum. Auf Gerüchte, der brasilianische Bergbaukonzern Vale könnte das Stahlwerk Companhia Siderúrgica do Atlântico (TKCSA) übernehmen, ging der neue Vorstandschef nicht ein. Gleichwohl war das Werk eines der wichtigsten Themen auf der Hauptversammlung. Vorstand und Aufsichtsrat des Konzerns mussten sich heftige Kritik von vielen Seiten anhören.

Die meisten Anleger gingen dabei auf die enorm gestiegenen Kosten beim Bau der Stahlwerke in Brasilien und den USA ein. Durch sie musste der Konzern im vergangenen Jahr 2,9 Milliarden Euro abeschreiben und hat in der Folge einen Verlust von 1,8 Milliarden Euro zu verkraften. Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre ging in seiner Kritik noch weiter. Er forderte, die Entlastung des Vorstandes und von Aufsichtsratschef Gerhard Cromme zu verweigern.

"Es ist immer nur die Rede von der Kostenexplosion", sagte der Geschäftsführer des Verbands, Markus Dufner. Über diejenigen, die vor Ort leiden müssten, werde kein Wort verloren. An Konzernchef Hiesinger gerichtet sagte er: "Sorgen Sie für eine neue Unternehmenskultur und für eine Entschädigung für die Fischer in Brasilien." Hiesinger antwortete Dufner, dass die Wasserqualität vor Ort nicht durch die Baumaßnahme verschlechtert worden sei. Auch seien es immer die gleiche kleine Gruppe von Fischern, die vor Ort protestieren würde. Dem hielt in einer weiteren Rede für die kritischen Aktionäre Christian Russau eine andere Sicht der Dinge entgegen. Der amerika21.de- und FDCL-Mitarbeiter sagte, dass vor Ort nach wie vor weiterhin 5.763 Fischer in sieben Zivilklagen zusammengeschlossen seien.

Zudem sei interessant, was der Vorstandchef den Aktionären auf der Hauptversammlung nicht erzählte. Laut Russau hätte Hiesinger von den Klagen der Staatsanwaltschaft und den drohenden 19 Jahren Haft für die Manager in Rio wegen massiven Umweltverstößen berichten müssen. "Wieso wird ausgerechnet nachts, wenn die Überwachungskameras der Umweltbehörde wegen der Dunkelheit nichts mehr registrieren, das Abstauben in der Region erhöht?", fragte er. Dieser Staub enthält laut der Stiftung Fundação Oswaldo Cruz (FIOCRUZ) Schwermetalle. "Wir wissen nicht, woher die FIOCRUZ die Proben hat", entgegnete Hiesinger. Die Proben von Thyssen Krupp enthielten nur Graphit und allenfalls Spuren von Kalzium.

Russau sagte: "Wir werden weiterhin dagegen kämpfen, dass sie die Betriebsgenehmigung erhalten." Diese werde auch auf keinen Fall mehr in diesem Jahr vergeben, da in Rio Wahlen anstünden. Bis dahin würde kein Politiker dem Werk die definitive Betriebsgenehmigung erteilen. Aufsichtsratschef Cromme bemerkte nach der Rede Russaus: "Sie sind heute der erste Aktionär, der sich freut, wenn es dem Unternehmen schlecht geht."

Zu Beginn der Hauptversammlung hatte Cromme eine Ehrenerklärung für den ehemaligen Thyssen-Krupp Chef Ekkehard Schulz abgegeben. Dieser war Ende des vergangenen Jahres von seinem Posten im Aufsichtsrat des Unternehmens zurückgetreten. In einem Interview mit dem Handelsblatt hatte er vor der Hauptversammlung die Verantwortung für das finanzielle Desaster in Brasilien übernommen: "Das Stahlwerk ist teurer geworden als geplant. Statt 3,5 Milliarden Euro kostet es nun 5,2 Milliarden Euro – dafür habe ich die Verantwortung übernommen." Natürlich habe er auch Fehler gemacht. "Ich habe zu lange den falschen Leuten vertraut. Leuten, die mir die Lage geschönt dargestellt haben", sagte Schulz. Aktienrechtlich sei dagegen keine Schuld nachweisbar. Dies ergibt ein Gutachten einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei, das Cromme auf der Hauptversammlung immer wieder zitierte und aus dem auch hervor ginge, dass ihn selbst keine Schuld treffe.