Venezuela / Politik

Venezuelas Opposition stellt Wahlprogramm vor

Wahlprogramm mit widersprüchlichen Positionen zur Sozialpolitik. Forderung nach Privatisierungen und Rückkehr der alten Führungsriege im Erdölsektor

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Henrique Capriles Radonski
Favorit der Vorwahlen: Henrique Capriles Radonski

Caracas. Zwei Wochen vor den Vorwahlen ihres gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten hat das venezolanische Oppositionsbündnis Tisch der

Demokratischen Einheit (MUD) ihr Programm für den Fall einer Regierungsübernahme veröffentlicht. Darin gibt sie sich in vielen Bereichen moderat. Im für Venezuela zentralen Feld der Erdölpolitik fordert die Opposition hingegen Privatisierungen und die Rückkehr der alten Führungsriege.

In dem 170 Seiten umfassenden "Programm der Regierung der Nationalen Einheit (2013-2019)" bekennt sich das venezolanische Oppositionsbündnis eindeutig auf die unter der Initiative der Präsidentschaft Hugo Chávez' im Jahr 1999 verabschiedete Verfassung. Abweichend von der politischen Linie des Präsidenten fordert sie jedoch die Umsetzung der Dezentralisierung staatlicher Kompetenzen auf Ebene der Bundesstaaten, ein Verzicht auf Präsidialdekrete und eine Stärkung der Legislative. Der MUD kündigt an, einen Änderungsantrag zur Rücknahme der unbegrenzten Wiederwahl des Präsidenten einzubringen. Weitere Verfassungsänderungen seien aber "nicht in der Verantwortung der neuen Regierung", heißt es in dem Dokument. Die kommunalen Räte (Consejos Comunales) sollen als parteiunabhängige Partizipationsinstrumente erhalten bleiben, jedoch in ihren Entscheidungskompetenzen gegenüber den lokalen repräsentativen Institutionen begrenzt werden.

Im Bereich der Sozialpolitik gibt sich die venezolanische Opposition widersprüchlich. Im Abschnitt der Kernanliegen heißt es, die "Misiones" genannten Sozialprogramme der Regierung Chávez würden im Falle eines Wahlgewinns im Oktober unter Einbeziehung von Wissenschaftlern und Experten fortgeführt werden, um "Fortschritte zu vertiefen, die zu bestimmten Momenten vorhanden waren". In Artikel 390 heißt es jedoch, die Misiones sollten in die jeweiligen Ministerien eingegliedert werden, was im Klartext die Abschaffung der Programme in ihrer bisherigen Form bedeuten würde.

Eine eindeutige Abkehr von der aktuellen Regierungslinie findet sich im Bereich der Medienpolitik. Radio Caracas Televisión (RCTV) solle seine Konzession zurück erlangen, der öffentliche Sender TVES abgeschafft und der mit anderen Staaten Lateinamerikas betriebene Gemeinschaftssender Telesur, ebenso wie das Radio del Sur "reorganisiert werden".

Als deutlichstes Zugeständnis an die alten Eliten des Landes dürfte jedoch der Abschnitt zur Energiepolitik betrachtet werden. Das staatliche Erdölunternehmen PdVSA, sollte nach Meinung des MUD zwar nicht vollständig privatisiert, jedoch weitgehend für private Investoren geöffnet werden. Die per Gesetz verpflichtende Mehrheitsbeteiligung des venezolanischen Staates bei der Erdölförderung solle abgeschafft, die im Zuge des Staatsstreiches und Sabotage gegen die Regierung 2002 und 2003 entlassenen Angestellten entschädigt und wenn möglich wieder eingestellt werden.

Dem ehemaligen Oberbürgermeister von Caracas, Diego Arria, gehen diese Pläne, die maßgeblich an die Zeit der Vierten Republik (1958-1998) anknüpfen würden, jedoch nicht weit genug. Als einziger der insgesamt sechs Kandidaten verweigerte er demonstrativ die Unterzeichnung des Dokuments und forderte die Aussetzung der 1999 in einem landesweiten Referendum mit großer Mehrheit verabschiedeten Verfassung. Laut Umfragen dürfte Arria jedoch wenig Chancen auf einen Wahlsieg bei den Vorwahlen der Opposition haben.

Als Favorit gilt hingegen der derzeitige Gouverneur des Bundesstaates Miranda, Henrique Capriles Radonski. Radonski, selbst Mitglied der rechtsliberalen Partei Primero Justicia, hatte sich in den letzten Wochen versucht als Mitte-Links-Kandidat zu profilieren und seine Position mit denen der Lula-Regierung in Brasilien (2003-2011) verglichen. Unterstützung erfährt Radonski dabei von den ehemaligen Koalitionspartnern der Chávez-Regierung, den Parteien PPT und Podemos.

Am Montag hatte sich in die Riege der Unterstützer auch der Kandidat der rechtspopulistischen Voluntad Popular, der ehemalige Bezirksbürgermeister Leopoldo López, eingereiht. López, der sich erfolglos als Kandidat der harten Hand zu profilieren versuchte, gab am Montag dazu seinen Rückzug von den Vorwahlen bekannt. Nach den jüngsten Umfragen von Dezember 2011 liegt Radonski deutlich vor dem derzeitigen Gouverneur des Bundesstaates Zulia und Kandidaten der ehemaligen Regierungsparteien AD und COPEI, Pablo Pérez.

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