Deutscher Vorstoß nach Kuba

Nach langem Stillstand ist ein Kulturabkommen zwischen Berlin und Havanna unterschriftsreif. Die eigentlichen Absichten sind wirtschaftspolitisch

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Die Förderplattform Skarabeo 9
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Havanna/Berlin. Trotz des "Gemeinsamen Standpunktes" der Europäischen Union gegenüber Kuba will die Regierung des sozialistischen Karibikstaates den Weg zu einem Kulturabkommen mit Deutschland freimachen. Nach Informationen aus dem Bundestag wird dafür sogar eine Reise von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nach Kuba erwogen. Mit solch einer Vereinbarung würde zugleich die jahrelange Stagnation der bilateralen Beziehungen beendet.

Bislang hatte Kuba vor einer Ausweitung der Zusammenarbeit mit EU-Mitgliedsstaaten die Abschaffung des sogenannten Gemeinsamen Standpunktes aus dem Jahr 1996 gefordert, der ähnlich der US-amerikanischen Blockade einen Systemwechsel in Kuba erzwingen soll. Die Nachrichten über einen möglichen Kooperationsvertrag zwischen Deutschland und Kuba folgen nur wenige Wochen nach einem Besuch von Mitgliedern des Haushaltsausschusses des Bundestags in dem Karibikstaat. Die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, von SPD, Linkspartei und FDP waren in der ersten Januarhälfte unter anderem mit kubanischen Regierungsvertretern sowie dem Bischof von Havanna, Jaime Ortega, zusammengekommen. Nach ihrer Rückkehr sprachen sie sich in Deutschland für eine weitere Annäherung an Kuba aus.

Sollte es zu dem Abschluss eines Kulturabkommens kommen, könnte das Goethe-Institut in Kuba seine Arbeit eigenständig aufnehmen. Bislang wird diese Institution in Kuba von der Leiterin der Kulturabteilung der deutschen Botschaft in Havanna vertreten. Ursprünglich sollte das Kulturabkommen zwischen Berlin und Havanna schon 2004 unterzeichnet werden. Der Boykott der kubanischen Buchmesse durch die damalige rot-grüne Regierung und die deutsche Unterstützung von EU-Sanktionen gegen Kuba hatte den Vertrag jedoch verhindert. Die EU hatte mit den Strafmaßnahmen auf die Verhaftung von mehreren Dutzend Regierungsgegnern in Kuba reagiert, die nach Darstellung der kubanischen Behörden mit den USA kooperiert hatten.

Auch wenn der von Deutschland unterstützte "Gemeinsame Standpunkt" der EU gegenüber Kuba weiter bestehen bleibt, könnte seine Wirkung durch die zunehmende Kooperation mit EU-Mitgliedsstaaten de facto ausgehebelt werden, heißt es in diplomatischen Kreisen in Havanna. Berlin wage so eine Gratwanderung zwischen dem Dogmatismus rechter Wortführer in der Bundesregierung und einer angestrebten Wirtschaftskooperation mit Kuba.

Die kubanische Seite sieht dabei drei Beweggründe in Berlin: Zum einen wolle die Bundesregierung das wirtschaftliche Engagement deutscher Unternehmen in Lateinamerika fördern. Dabei habe sich in Berlin die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein gutes Verhältnis zu Kuba eine der Grundbedingungen für Erfolg in Lateinamerika ist. Zudem wolle Deutschland in Kuba Fuß fassen, solange US-amerikanische Unternehmen durch die Blockade Washingtons behindert werden. Drittens lasse sich die deutsche Bundesregierung bei ihrem verstärkten Engagement in Kuba von ideologischen Motiven leiten.

Durch die politische und wirtschaftliche Reformdebatte in dem sozialistischen Karibikstaat gehe man in Deutschland offenbar von einem automatisch bevorstehenden Systemwechsel aus, kommentierte dies ein führender außenpolitischer Vertreter des Zentralkomitees der regierenden Kommunistischen Partei Kubas (PCC) gegenüber Vertretern des Netzwerks Kuba, einem Zusammenschluss von gut 40 solidarischen und entwicklungspolitischen Kuba-Gruppen in Deutschland. Offenbar litten deutsche Diplomaten unter einem "DDR-Syndrom", sagte der PCC-Funktionär, der Veränderungen des politischen Systems in Kuba ausschloss.

Die neue Offenheit der deutschen Diplomatie in Kuba hat indes auch konkrete wirtschaftliche Gründe. Nach Ansicht führender Diplomaten könnte die Erdölblase in kubanischen Gewässern zwischen fünf und 20 Milliarden Barrel fassen. Die Erschließung des Vorkommens durch südeuropäische Energieunternehmen, China, Russland und Brasilien hat unlängst begonnen. Sollte sich die Einschätzung über die Erdölvorkommen bestätigen, gilt Kuba nach dieser Einschätzung quasi über Nacht als Erdöl-Exportstaat mit hoher Kreditwürdigkeit. In diesem Fall gebe es keinen Zweifel daran, dass US-amerikanische Unternehmen den kubanischen Markt umgehend erschließen, sagte ein führender deutscher Gesandter.