Brasilien / Soziales

Neuer Minister soll Agrarreform beschleunigen

Brasilianische Präsidentin ernennt neuen Minister für Landwirtschaftliche Entwicklung. Landlosenbewegung fordert Fortschritte bei der Landverteilung

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Angehörige der brasilianischen Landlosenbewegung protestieren (Archivbild)
Angehörige der brasilianischen Landlosenbewegung protestieren (Archivbild)

Brasília. Zwei Aufgaben habe ihm Präsidentin Dilma Rousseff mit auf den Weg gegeben, so Brasiliens neuer Minister für Landwirtschaftliche Entwicklung, José Vargas, bei seiner Amtseinführung am Mittwoch. Er solle die Agrarreform beschleunigen und die Armut auf dem Land bekämpfen – und damit eine der Hauptforderungen der Landlosenbewegung MST (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra) erfüllen. Die hatte die zögerliche Amtsführung seines Vorgängers Afonso Florence heftig kritisiert und einen kämpferischen "roten April" angekündigt. In jenem Monat finden traditionell viele Landbesetzungen statt, um den Druck auf die staatlichen Behörden zu erhöhen, Landgüter zu enteignen und für die Agrarreform zur Verfügung zu stellen.

Florence war Ende vergangener Woche von Präsidentin Rousseff entlassen worden. In ihrem ersten Regierungsjahr wurde gerade einmal an 22.000 Familien Land verteilt, die schlechteste Quote seit sechzehn Jahren. Die Ablösung Florences kam angesichts dieser Zahlen und der Tatsache, dass das erste Dekret zur Enteignung zu verteilenden Landes erst Ende Dezember unterzeichnet wurde, wenig überraschend. Florence ist bereits der elfte Minister, der seit Rousseffs Amtsantritt vor 14 Monaten aus dem Amt scheidet; acht davon wegen Korruption. Sowohl Vargas als auch Florence gehören der regierenden Arbeiterpartei PT an. Vargas gilt jedoch im Gegensatz zu seinem Vorgänger als einflussreicher und als Vertrauter der Präsidentin.

Die MST hofft nun auf Fortschritte im Ministerium für Landwirtschaftliche Entwicklung, das für die Agrarreform zuständig ist. Es ist nicht zu verwechseln mit dem Landwirtschaftsministerium, das den Export von Agrargütern verwaltet. "Die Präsidentin erkennt an, dass 2011 nichts für die Agrarreform getan wurde. Wir hoffen, dass der neue Minister die Agrarreform beschleunigen wird, ein Thema das wir – unabhängig davon wer Minister ist – immer auf unserer Agenda haben werden", sagte Alexandre Conceição, Mitglied der Führung der MST. Nach seinen Angaben warten allein im nordbrasilianischen Bundesstaat Pernambuco 15.000 Familien auf Land, aber an gerade einmal 102 sei Grund und Boden verteilt worden.

Schon seit längerem fordert die MST eine Umstrukturierung der brasilianischen Landwirtschaft. Sie will weg vom exportorientierten Agrarbusiness und hin zu einer auf den Binnenmarkt ausgerichteten Produktion auf kleinerer Skala und einer Dekonzentration von Grund und Boden. Brasilien ist eines der Länder mit der ungerechtesten Landverteilung weltweit. In den vergangenen Jahren, während der Regierung Luiz Inácio "Lula" da Silvas, ist in Sachen Agrarreform wenig geschehen. Die Aktionen der Regierung hatten vor allem kompensatorischen Charakter, griffen aber weder die Besitzstrukturen im Land an, noch bewirkten sie eine Dezentralisierung von Grund und Boden.

Nun soll der neue Minister neue Impulse setzen. Die Agrarreform sei eine der Sorgen der Regierung, so Vargas. Es reiche aber nicht aus, Land zu verteilen, sondern die Qualität der Niederlassungen müsse verbessert werden, beispielsweise durch Bildungsprogramme, um die Produktivität zu erhöhen, sowie den Ausbau der Infrastruktur.