La Paz. Bolivien steht vor einem Comeback auf den internationalen Finanzmärkten. Erstmals seit 1920 sollen Anleger wieder bolivianische Staatsanleihen kaufen können. Die Entscheidung gab der bolivianische Wirtschaftsminister Luis Arce am Rande des diesjährigen Minister-Treffens der "Interamerikanischen Entwicklungsbank" (BID) in Uruguay bekannt: "Bolivien hat heute die große Gelegenheit an jenes Kapital zu kommen, das weltweit auf der Suche nach aussichtsreichen Landemöglichkeiten ist."
Mit den "Souveränitäts-Bonds" will La Paz das "wirtschaftliche Wachstum der bolivianischen Wirtschaft beschleunigen", sagte der Politiker der regierenden "Bewegung zum Sozialismus" (MAS). Medienberichten zufolge plant die Zentralbank "Banco Central de Bolivia" (BCB) einen Anleihenverkauf im Wert von 500 Millionen US-Dollar mit einer Laufzeit bis 2050. Ein Zinssatz ist bisher nicht bekannt.
"Das machen wir alles für die Industrialisierung unserer natürlichen Bodenschätze in Bolivien, was der Dreh- und Angelpunkt unseres Wirtschaftsmodells ist", begründete Arce die Maßnahme. Geplant seien Wasserkraftwerke, ein Hochofen und Produktionsanlagen für Lithium-Batterien. Erstmals seit 1920 biete sein Land wieder Schuldpapiere auf dem Weltmarkt. Schwellenländer würden zunehmend vom "Risikoappetit" ausländischer Investoren profitieren. In der schwelenden Finanz- und Wirtschaftskrise besteht laut Arce keine Gefahr. Zwar beobachte man "mit Sorge, wie unsere Nachbarn von der internationalen Krise betroffen sind"; Argentinien etwa steht bei La Paz mit über 100 Millionen US-Dollar unbezahlter Gas-Rechnungen in der Kreide. Doch seien die eigenen Aussichten für 2012 weiterhin gut. Bei einer Inflation um 5 Prozent und einer Wachstumsprognose von 5,5 Prozent "fühlt man sich wie auf einer Insel", sagt Arce.
Allem Anschein nach ist die Regierung Boliviens in Sachen Haushaltsfinanzierung auf einen regionalen Trend aufgesprungen. 500 Millionen US-Dollar besorgte sich im Januar Nachbar Peru an den Finanzmärkten, der Titel läuft bis 2050. Im Juni vergangenen Jahres besorgte sich Kolumbien zwei Milliarden US-Dollar, die Zehn-Jahres-Anleihen laufen mit einem Zinssatz von 4,425 Prozent. In gleicher gleicher Höhe hat Mexiko Anfang des Jahres Anleihen auf den Markt geworfen, bei einer Verzinsung von 3,705 Prozent auf Niedrigststand.
Boliviens Staatshaushalt geht es heute ausgezeichnet. Seit der Nationalisierung von Gas und Erdöl und dank hoher Rohstoff-Weltmarktpreise erzielen die öffentlichen Kassen erstmals seit Jahrzehnten Überschüsse. Auch der Binnenmarkt und Steuereinnahmen zogen auf ein historisches Allzeithoch an. 2011 endete, trotz zahlreicher Sozialprogramme und massiver Infrastrukturmaßnahmen, mit einem Plus von 0,8 Prozent. Der Internationale Währungsfonds (IWF) lobt die vorsichtige Ausgabenpolitik der MAS--Regierung. Laut Vereinten Nationen verließen seit 2006 rund 1,4 Millionen Menschen die Armut. 25 Prozent der öffentlichen Investitionen für 2012 (3,25 Milliarden US-Dollar), so die Haushaltsgesetzgebung, können mit Anleihen bezahlt werden. Medien zufolge seien die Bank of America, Merrill Lynch und Goldman Sachs als Partner als Partner im Gespräch, die Entwicklungsbank des Andenpakts "Corporación Andina de Fomento" (CAF) steht beratend zur Seite. Als Rückversicherung gegen mögliche Ausfall-Risiken hat Bolivien seine Goldreserven erhöht. Mit über 42 Tonnen verfügt es laut eines aktuellem Zentralbank-Bericht über die viertgrößten Bestände in Lateinamerika.