Gefängniskrise: Venezuela baut neue Haftanstalten

Präsident Chávez kündigt Bau von acht neuen Gefängnissen an. Alte Gefängnisse werden geschlossen. Humanisierung des Strafvollzugs als Ziel

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Einheiten der Nationalgarde vor dem Gefängnis "La Planta" in Caracas
Einheiten der Nationalgarde vor dem Gefängnis "La Planta" in Caracas

Caracas. Die venezolanische Regierung hat angekündigt acht neue Gefängnisse bauen zu lassen. Dies teilte der Präsident des südamerikanischen Landes, Hugo Chávez, am Freitag gegenüber dem staatlichen Fernsehsenders VTV mit. Chávez erklärte, dass knapp 1,5 Mrd. Bolívares (etwa 270 Mio. Euro) für den Bau neuer Haftanstalten und umgerechnet gut 128 Mio. Euro für die Modernisierung bestehender Gefängnisse zur Verfügung gestellt werden. Die Regierung reagiert damit auf die miserablen Zustände in vielen Gefängnissen des Landes und auf einen kürzlich beendeten Aufstand im Gefängnis "La Planta" in der Hauptstadt Caracas.

Die Investition gehe auf einen Plan zurück, der von der Ministerin für den Strafvollzug, Iris Varela, ausgearbeitet wurde, sagte Chávez. Ihr Ministerium wurde im Juli 2011 gegründet, nachdem es in einem Gefängnis östlich von Caracas zu einem Aufstand mit 19 Toten gekommen war. Seitdem hatte die Ministerin alle Haftanstalten des Landes besucht, um einen Plan zur Humanisierung des Strafvollzugs zu entwickeln. Es gebe "Mafias", welche teilweise die Gefängnisse kontrollierten, sagte Varela nun. Ihr Ministerium sei aber dabei, diese mafiösen Strukturen zu bekämpfen, zu denen auch korrupte staatliche Bedienstete zählten. Die 128 Mio. Euro sollen nun unter anderem in ein verbessertes Kommunikations- und Sicherheitssystem der Haftanstalten im ganzen Land investiert werden.

Die Situation in den venezolanischen Gefängnissen ist oft katastrophal. Die meisten Haftanstalten sind hoffnungslos überfüllt und viele Gefangene warten über Monate auf ihren Prozess. In den Gefängnissen haben häufig kriminelle Organisationen die Kontrolle, die sich durch korrupte Wärter mit Waffen, Drogen und Waren versorgen. Die Bedingungen in den Gefängnissen haben binnen eines Jahres zu zwei großen Gefängnisaufständen geführt. Im Juni 2011 ergaben sich Aufständische im Gefängnis "El Rodeo" ostlich von Caracas erst nach etwa einem Monat. Nachdem Einheiten der Nationalgarde die Anstalt eingenommen hatten, präsentierten sie große Mengen von Waffen und Munition, darunter auch Kriegswaffen. Dass diese nur mithilfe von Aufsehern in das Gebäude gelangt sein konnten, bezweifelt niemand.

Ähnlich stellte sich die Situation im Gefängnis "La Planta" im Stadtteil El Paraiso mitten in Caracas dar. Dort war es vor zwei Wochen zu Schießereien gekommen, bei denen ein Anwohner der Umgebung durch eine "verirrte" Kugel getötet wurde. Nach zwei Wochen Verhandlungen mit den Aufständischen willigten diese ein und wurden in andere Gefängnisse verlegt. Die Regierung verkündete nun, dass "La Planta" umgehend geschlossen wird. Auch in diesem Fall fanden die Sicherheitskräfte "industrielle Mengen" Munition, die nach Aussage von Quellen im Ministerium für Strafvollzug für "einen Monat Krieg" gereicht hätten.

In beiden Fällen zeigt sich allerdings ein veränderter Umgang der Regierung mit den Aufständischen. Während in der Vergangenheit bei Gefängnisrevolten häufig die Gefängnisse gestürmt und unter Billigung von Todesopfern eingenommen wurden, setzt die aktuelle Regierung auf Verhandlungen. Ziel ist nach offiziellen Angaben eine Humanisierung des Strafvollzugs, in dem den Häftlingen ihre grundlegenden Rechte garantiert werden. Auch Präsident Chávez nahm gegenüber VTV Bezug auf das Vorgehen: Die Gefängnisse müssten "Zentren der Bildung und nicht der Deformation" werden, sagte der Präsident.