USA kontern im Fall Assange

Regierungskritischer Journalist aus Ecuador bekommt Asyl in Miami. Deutsche Abgeordnete besucht Assange in ecuadorianischer Botschaft in London

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Pressevertreter vor der Botschaft Ecuadors in London
Pressevertreter vor der Botschaft Ecuadors in London

London. Im diplomatischen Ringen zwischen Großbritannien und Ecuador um den Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, ist die akute Krise zwar überwunden: Der Präsident des südamerikanischen Landes, Rafael Correa, gab vor wenigen Tagen bekannt, dass beide Regierungen den Streit nach britischen Drohungen zur Erstürmung der Botschaft beigelegt haben. Dennoch bleibt die Situation um den 41-jährigen Internetaktivisten Assange ungelöst.

Assange hatte am 19. Juni in der Botschaft Ecuadors in London Zuflucht gesucht. Mitte August entschied die Regierung des südamerikanischen Landes positiv über seinen Asylantrag. Der Fall eskalierte, als die britischen Behörden und die Regierung des Landes dem Aktivisten freies Geleit verweigerten. Dies wäre für Assange jedoch nötig, um die Botschaft und das Land gefahrlos verlassen zu können. Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño veröffentlichte auf dem Höhepunkt des Disputs zudem eine diplomatische Note Großbritanniens, in der die Regierung in London indirekt mit der Erstürmung der Botschaft drohte.

Indes konterte die US-Regierung den positiven Asylbescheid Ecuadors für Assange mit der Bekanntgabe, dem regierungskritischen ecuadorianischen Journalisten Emilio Palacio Zuflucht zu gewähren. Palacio hatte sich im vergangenen Jahr nach Miami im US-Bundesstaat Florida geflüchtet, nachdem er den Präsidenten des südamerikanischen Landes, Rafael Correa beschuldigt hatte, bei einem Putschversuch am 30. September 2010 im Zuge seiner Befreiung Todesopfer billigend in Kauf genommen und damit Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortet zu haben. Weil Palacios Kommentar den Putschversuch leugnete und stattdessen den "Diktator Correa" für die Geschehnisse fälschlicherweise verantwortlich machte, erstattete Correa Anzeige. Regierung und Justizbehörden in Ecuador wiesen wiederholt darauf hin, dass Palacio durch eine Richtigstellung juristische Schritte hätte vermeiden können. Zudem wurde das Urteil gegen ihn aufgehoben. Die US-Regierung erkannte ihn nun dennoch als "politischen Flüchtling" an. Die Entscheidung traf in Ecuador auf scharfe Kritik.

Am Sonntag ist unterdessen die deutsche Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Sevim Dağdelen, mit Assange zusammengekommen. Der erste Besuch eines Parlamentsmitglieds aus Deutschland bei dem international bekannten Aktivisten habe zum Ziel gehabt, "Wege aus der diplomatischen Krise" zu suchen, in der sich Großbritannien und Ecuador befinden, sagte Dağdelen vorab. Zugleich erinnerte die Parlamentarierin an das Schicksal des US-Militärs Bradley Manning.

"Die Besorgnis erregende Lage Mannings war heute auch eines der Themen in unserem Gespräch", sagte Dağdelen nach dem Treffen in einem Telefonkontakt gegenüber amerika21.de. Sie und Assange seien übereingekommen, dass das Verfahren gegen den jungen US-Militär international eingehender beobachtet werden müsse, zumal für Manning die Militärgerichtsbarkeit gilt.

Über den Besuch aus Deutschland habe sich Assange gefreut, sagte Dağdelen. Zugleich erhoffe er sich anhand seines Falls eine stärkere Debatte über das Recht auf Asyl – auch in Deutschland. "Assange wies immer wieder auf die zunehmend aggressiven Kampagnen gegen das Wikileaks-Projekt hin", sagte Dağdelen. Was seine persönliche Situation angeht, sehe er den Schlüssel für die Lösung des diplomatischen Streits bei Großbritannien und Schweden. Assange vermute vor allem, dass die schwedischen Behörden ihre Interessen nicht offenlegen. "Anders ist nicht zu erklären, dass die Ermittlungsbehörden dieses Landes ein Verhör Assanges in der ecuadorianischen Botschaft in London abgelehnt haben und zudem keine Garantien für eine Nicht-Auslieferung in einen Drittstaat geben wollen", sagte Dağdelen. In Schweden soll Assange wegen angeblichen Sexualdelikten verhört werden.

Die deutsche Bundestagsabgeordnete kritisierte zudem die Weigerung Großbritanniens und Schwedens, Assange eine Garantie dafür zu geben, nicht an die USA ausgeliefert zu werden, wo Leib und Leben des Aktivisten bedroht seien. "Besonders bezeichnend ist die Rolle der britischen Regierung, die noch 1998 vorgeblich aus humanitären Gründen die Auslieferung des Massenmörders und chilenischen Ex-Diktators Augusto Pinochet an Spanien verweigerte", so Dağdelen im amerika21.de-Gespräch.


In einer ersten Version dieses Textes hieß es im dritten Absatz, gegen den Journalisten Palacio sei ein Verfahren eröffnet worden, weil er Präsident Correa als "Diktator" bezeichnete. Das stimmt nicht. Der Absatz und die Hintergründe wurden ergänzt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.