Mexiko drittgefährlichstes Land für Journalisten

Zehn Journalisten seit Beginn des Jahres ermordet. Straflosigkeit und Passivität bei der Ermittlung bleiben große Probleme

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Gedenken der ermordeten Journalisten: Kundgebung in Mexiko
Gedenken der ermordeten Journalisten: Kundgebung in Mexiko

Genf. Mexiko bleibt eines der weltweit gefährlichsten Länder für Journalisten. Einem am vorvergangenen Dienstag in Genf veröffentlichten Bericht

der Press Emblem Campaign (PEC) zufolge, liegt Mexiko nach Syrien und Somalia auf dem dritten Platz. Die zur Stärkung des Schutzes und der Sicherheit von Reportern in bewaffneten Konflikten gegründete NGO macht darauf aufmerksam, dass in den ersten neun Monaten dieses Jahres weltweit 110 Journalisten ermordet worden sind. Dies sei die höchste Zahl, die bisher in solch einem Zeitraum festgestellt wurde. Zehn der Morde sind 2012 in Mexiko verübt worden. Sie alle seien im Zusammenhang mit dem "Krieg gegen die Drogen" der mexikanischen Regierung zu sehen, einem Kontext "häufiger Fälle der Verstümmelung und einem Zustand der chronischen Verunsicherung in einigen Regionen", so der Bericht.

Vor allem in den für die Drogenkartelle strategisch günstig gelegenen Gebieten ist die Meinungs- und Pressefreiheit durch Angriffe auf Medienschaffende bedroht. Der Bundesstaat Veracruz und die Gebiete nahe der Grenze zu den USA gelten als die gefährlichsten des Landes.

Ein Beispiel ist der Fall des landesweit bekannten Journalisten Victor Báez Chino. Er wurde am 14. Juni in Xalapa, Veracruz tot aufgefunden, nachdem er am Vorabend von drei bewaffneten Männern auf offener Straße in einen grauen Van gezerrt wurde. Báez war bei der Tageszeitung Milenio spezialisiert auf die Thematik des organisierten Verbrechens. Bei seiner Leiche fand man eine Nachricht der kriminellen Vereinigung Los Zetas: "Das passiert jenen, die uns betrügen und versuchen besonders schlau zu sein."

Viele Journalisten kehren diesen Regionen den Rücken und einige Lokalzeitungen haben bereits die Berichterstattung über den Drogenkonflikt eingestellt. Nach einem bewaffneten Überfall in der Grenzstadt Nuevo Laredo auf die Redaktionsbüros der Lokalzeitung El Mañana durch eine Gruppe von Vermummten im Mai haben die Mitarbeiter entschieden nicht mehr über das organisierte Verbrechen in Mexiko zu schreiben. "Appellierend an das Verständnis der Öffentlichkeit enthält sich diese Zeitung, für die nötige Zeit jedwede Information zu veröffentlichen, die aus den gewaltsamen Auseinandersetzungen hervorgeht, die unsere Stadt und andere Regionen des Landes erleiden", heißt es in einer Stellungnahme der Redaktion.

Nuevo Laredo, das lange Zeit in den Händen der Gruppierung Los Zetas lag, wird ihnen nun durch das Sinaloa-Kartell streitig gemacht. Das Redaktionsmitglied von El Mañana, Ramón Cantú, geht davon aus, dass die Zeitung durch den Angriff dazu gebracht werden sollte, Stellung zu beziehen.

Dieser Vorfall hat sich nur kurze Zeit nach einer tragischen Woche für die mexikanische Presse ereignet. Innerhalb von wenigen Tagen wurden in Veracruz vier Journalisten ermordet, unter ihnen Regina Martínez, Korrespondentin des Magazins Proceso. Vor ihrem Tod hatte Martínez den Fall eines ermordeten Aktivisten recherchiert und über neun Polizisten berichtet, die sowohl in den Mord als auch die Drogengeschäfte der Kartelle verwickelt gewesen sein sollen.

Der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) zufolge, tragen die mexikanischen Behörden eine Mitschuld an der für Journalisten bedrohlichen Situation. Die Polizei agiere passiv, Ermittlungen würden aufgrund "fehlender Beweise" eingestellt und in vielen Fällen arbeite sie mit den kriminellen Gruppen zusammen.

Obwohl schon im Jahr 2006 eine Sonderstaatsanwaltschaft zur Verfolgung von Verbrechen gegen Journalisten eingerichtet wurde, ist Straflosigkeit die Regel. Die Aufklärungsquote Mexikos liegt bei zwei Prozent. Am 27. September hat der UN-Menschenrechtsrat eine Resolution zur Sicherheit von Journalisten angenommen, in der verurteilt wird, dass viele Staaten wenig Bereitschaft zeigen, die Verbrechen an den Reportern zu verfolgen und aufzuklären.