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Lateinamerika sieht Wahlergebnis in USA gelassen

Latino-Gemeinde in den USA wählt mit über 70 Prozent Obama. Betonte Zurückhaltung in Lateinamerika

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"Latinos für Obama": Eine Frau im Wahlkampf für den wiedergewählten US-Präsidenten
"Latinos für Obama": Eine Frau im Wahlkampf für den wiedergewählten US-Präsidenten

Washington. Für die Wiederwahl des US-Präsidenten Barack Obama haben die Stimmen der Lateinamerikaner in den USA eine entscheidende Rolle gespielt. Nach ersten Auswertungen erhielt sein republikanischer Gegner Mitt Romney nur 29 Prozent der Stimmen von US-Bürgern mit lateinamerikanischen Wurzeln. Inzwischen ist jeder zehnte Wähler ein "Hispanic", etwa zwölf Millionen Latinos sind wahlberechtigt. Diese Zahl hat sich unter anderem durch die vereinfachte Legalisierung des Aufenthalts seit den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2008 um 26 Prozent erhöht. Zwar hatte Romney in den letzten Wochen aktiv um diese Wählergruppe geworben, jedoch stimmten gestern nur die älteren und konservativen Einwanderer für ihn.

Selbst in Florida sahen die Umfragen unter der kubanisch dominierten Latino-Gemeinde einen klaren Vorsprung für den demokratischen Kandidaten. Hier rechneten die Wähler dem amtierenden Präsidenten vor allem die erfolgten Reise- und Handelserleichterungen nach Kuba positiv an. Gemeinsam mit den Stimmen der schwarzen Amerikaner – von ihnen stimmten sogar 93 Prozent für Obama –, der Frauen und der Wähler unter 44 Jahren trug die hohe Wahlbeteiligung der Lateinamerikaner in den USA entscheidend zu Obamas Sieg bei.

In Lateinamerika waren die Reaktionen auf den Wahlsieg Obamas verhalten. Unter den ersten Gratulanten für den wiedergewählten Präsidenten befand sich kein einziger lateinamerikanischer Staatschef. Während Vertreter europäischer Staaten sowie aus Palästina und Israel bereits wenige Minuten nach der offiziellen Entscheidung Glückwünsche übersendeten, dauerte es bis zum nächsten Morgen, dass sich aus Mexiko der amtierende Präsident Felipe Calderón und sein frisch gewählter Nachfolger Enrique Peña als erste Lateinamerikaner zu Wort meldeten. Auch der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos gratulierte Obama im Laufe des Tages und betonte gegenüber der BBC, dass er eine Kontinuität in den Beziehungen zu den USA begrüßt, da Obama die Friedensverhandlungen in Kolumbien unterstütze. Aus Chile meldete sich nur die Ehefrau von Präsident Piñera, Cecilia Morel, zu Wort. Weitere offizielle Reaktionen lagen am Mittwoch nicht vor.

Bereits am Dienstag hatte der venezolanische Präsident Hugo Chávez mögliche Erwartungen an den Wahlausgang gedämpft. "Aus unserer Perspektive bestehen keine Hoffnungen, dass große Veränderungen in den Beziehungen der USA zur Welt, zu Lateinamerika, zu Venezuela anstehen – egal welcher Kandidat gewinnt", so Chávez gegenüber der venezolanischen Presse. Diese Sichtweise vertrat auch José Miguel Insulza, Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Einzige Ausnahme sei das Verhältnis zu Kuba. Die kubanische Exillobby sei "sehr einflussreich im Kongress und grundsätzlich republikanisch", argumentierte Insulza im kolumbianischen Sender Caracol Radio. Ein Wahlsieg der Republikaner hätte die Beziehungen zwischen den USA und Kuba deutlich belastet, sagte der Chilene weiter.

Das Desinteresse der lateinamerikanischen Politik an Barack Obama beruht anscheinend auf Gegenseitigkeit. In der Wahlkampagnen der Kandidaten hatte der südliche Teil des amerikanischen Kontinents kaum eine Rolle gespielt. Die mexikanische Tageszeitung Vanguardia kommentierte diesen Umstand mit dem Hinweis: "Keine Nachricht, gute Nachricht." Darin komme nur zum Ausdruck, dass Lateinamerika kein Punkt sei, um den man sich in Washington Sorgen mache. Stattdessen richte sich die US-Außenpolitik stärker auf Asien und den Nahen sowie Mittleren Osten, argumentiert auch der Politikwissenschaftler Ted Carpenter, der Lateinamerika als eine "unsichtbare Angelegenheit" in der US-Politik bezeichnete.