Venezuela / Wirtschaft

Venezuelas Wirtschaft wächst zwei Jahre in Folge

Experten korrigieren Prognosen nach oben. Inflation deutlich gesunken. Abwertung der Landeswährung in der Debatte

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Entwicklung des venezolanischen Bruttoinlandsprodukts 2010-2012
Entwicklung des venezolanischen Bruttoinlandsprodukts 2010-2012

Caracas. Das venezolanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im dritten Quartal dieses Jahres um 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gewachsen. Dies gab die Zentralbank (BCV) des südamerikanischen Landes bekannt. Die Wirtschaftsleistung expandierte damit auch im achten Quartal in Folge. Nachdem das BIP zwischen 2004 und 2008 kontinuierlich gewachsen war, durchlief die Wirtschaft im Nachgang der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise in den Jahren 2009 und 2010 eine Phase der Rezession.

"Venezuela ist in eine neue, stabile und nachhaltige Wachstumsphase eingetreten", sagte Finanzminister Jorge Giordani bei einer Pressekonferenz. Die Wachstumsrate liege oberhalb des ursprünglichen Schätzwertes. In den Haushaltsplanungen hatte die Regierung mit einem Wirtschaftswachstum in Höhe von fünf Prozent kalkuliert. Dieses liegt derzeit kumuliert über die ersten drei Quartale des Jahres bei 5,6 Prozent.

Das Wachstum ist nach Angaben der BCV im Nicht-Erdölsektor (5,4 Prozent) stärker als im Erdölsektor (1,1 Prozent) und in der Privatwirtschaft (5,7 Prozent) größer als im öffentlichen Bereich (3,4 Prozent). Am meisten wuchs der Finanzsektor mit 35,9 Prozent. Der Direktor der Bankenaufsichtsbehörde Sudeban, Edgar Hernández Behrens, äußerte sich sehr positiv über diese Zahl: Venezuelas Bankensektor durchlebe einen "exzellenten Moment" und weise "sehr solide Indikatoren" auf, sagte Hernández. Die Säumigkeitsrate sei mit 1,06 Prozent eine der geringsten der venezolanischen Geschichte und die aktuell niedrigste in Lateinamerika.

Weitere Wirtschaftsbereiche mit überdurchschnittlichem Wachstum sind der Bausektor (12,6 Prozent) und der Handel (9,7 Prozent). Ebenfalls deutlich vergrößerten sich kommunale Dienstleistungen (7,8 Prozent) und Kommunikation (6,9 Prozent).

Parallel zu den positiven Wirtschaftszahlen der Zentralbank machen sich in venezolanischen und internationalen Medien Spekulationen über eine mögliche Abwertung der Landeswährung breit. Berichte über einen sprunghaften Anstieg des Dollarpreises auf dem parallelen Markt waren der Auslöser der Gerüchte. In Venezuela kontrolliert der Staat seit 2003 den Devisenhandel, um Kapitalflucht zu unterbinden. Zudem legt die venezolanische Zentralbank (BCV) einen festen Wechselkurs zum US-Dollar fest. In einem zusätzlichen Wechselband können zudem Dollarstaatsanleihen gehandelt werden.

Durch die hohe Importabhängigkeit des Landes und die damit verbundene enorme Nachfrage nach US-Dollars hat sich jedoch zusätzlich ein halblegaler paralleler Wechselmarkt etabliert, auf dem die ausländische Währung zuletzt ein Mehrfaches des offiziellen Wechselkurses kostete.

Der Präsident der Zentralbank, Nelson Merentes, bezeichnete die jüngsten Entwicklungen als "Störungen" und sagte: "Nichts davon ist ökonomische Rationalität." Vergleichbare Fluktuationen gebe es auf keinem anderen Sekundärmarkt weltweit. Finanzminister Giordani schloss in einem Interview mit der Tageszeitung El Mundo eine Abwertung aus. Diese sei angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung und der existierenden Mechanismen zur Vergabe von Devisen nicht nötig. Ebenso dementierte BCV-Chef Merentes Pläne über eine bevorstehende Abwertung. Dieses Thema werde "nicht in der Öffentlichkeit" besprochen, sagte er. Es sei jedoch nichts dergleichen in der Diskussion. Zuletzt hatte die BCV im Jahr 2010 den offiziellen Wechselkurs korrigiert.

Aufgrund einer überproportional zur produktiven Entwicklung steigenden nationalen Geldmenge, verzeichnet Venezuela seit langem eine zweistellige Inflationsrate. Im laufenden Jahr rechnen Zentralbank und Regierung mit 14 bis 16 Prozent. In den vergangenen Jahren lag die Teuerungsrate bei über 20 Prozent.