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Brüssel und Washington gegen Ortega

EU und USA erhöhen Druck auf Nicaraguas Präsidenten. SPD-nahe Stiftung liefert die Argumente

Mit zwei hungrigen Wölfe verglich Kubas Comandante en Jefe Fidel Castro Ruz im Mai die Europäische Union und die USA, die vorhätten, sich auf Rotkäppchen, das linke Lateinamerika, zu stürzen. Wie ernst die Warnung des kubanischen Revolutionärs zu nehmen ist, wird jetzt deutlich: die Europäische Union und die USA marschieren gemeinsam gegen Nicaragua. Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) unterstützt das Vorgehen gegen den sandinistischen Präsidenten Daniel Ortega mit entsprechenden Ratschlägen. Hier entsteht eine unheimliche Allianz der Mächte des Norden, die ihr politisches und wirtschaftliches Druckpotential einsetzen wollen, damit eine demokratisch legitimierte Linksregierung in Lateinamerika wieder auf die neoliberale Politik der Jahre 1990-2007 einschwenkt. Als Test für die Stärke oder Schwäche von Daniel Ortega und seiner Sandinistischen Front der Nationalen Befreiung (FSLN) dienen die im November stattfindenden Kommunalwahlen.

"Doch nach eineinhalb Jahren Regierungszeit breiten sich in der Bevölkerung Enttäuschung und Unzufriedenheit über die aktuelle Regierung aus", diagnostiziert Valeska Hesse in ihrem aktuellen Bericht für die FES, ohne Belege zu nennen. Sie koordiniert die Arbeit der Stiftung von Costa Rica aus. Hesse sieht die Demokratie in Gefahr, weil Nicaraguas Oberster Wahlrat zwei Parteien nicht zur Wahl zugelassen hat. Sie rät der EU, nicht nur über die "klassische Entwicklungshilfe" Einfluß zu nehmen. Nicaragua, das nach Haiti zweitärmste Land in Mittelamerika und der Karibik, erhält jährlich etwa 500 Millionen US-Dollar aus EU-Töpfen sowie weitere 120 Millionen US-Dollar Hilfe aus dem Fonds von acht europäischen Geberländern, darunter Deutschland. Damit könnte bald Schluß sein.

Ende Juni protestierte die EU-Botschafterin Francesca Mosca, die dem "Runden Tisches der Kooperation" vorsteht, bei der Regierung an Managua gegen die Entscheidung des Wahlrates. Der scheidende US-Botschafter in Nicaragua, Paul Trivelli, unterstützte das Vorgehen der EU. Schon vor Ortegas Wahl zum Präsidenten Ende 2006, hatte der US-Diplomat gegen die FSLN Stellung bezogen. Jetzt finanziert die USAID, eine Vorfeldorganisation der US-Außenpolitik, 26 Nichtrgierungsorganisationen, die die Zivilgesellschaft vor den Kommunalwahlen stärken sollen. Die Republikanische Partei von US-Präsident George W. Bush hat des Weiteren den ehemaligen mexikanischen Präsidenten Vicente Fox nach Managua einfliegen lassen, damit er die Sandinisten für ihre Nähe zu Kolumbiens Revolutionären Streitkräften (FARC) an den Prnger stellte.

Ortega zeigt sich von der Phalanx des Nordens unbeeindruckt und ging zum verbalen Gegenangriff über. Die EU-Hilfen bezeichnet er als "Brotkrummen" und als "eine winzige Begleichung der riesigen Schuld, die sie (gegenüber den Entwicklungsländern) haben". Da sich der ehemalige Comandante der sandinistischen Guerilla uneinsichtigt zeigt, rät die FES jetzt, die EU solle die anderen zentralamerikanischen Staaten einsetzen, damit diese Nicaragua gefügig machen. Die EU forciert seit Jahren die wirtschaftliche und energiepolitische Integration in Mittelamerika. Sie wirbt mit einem Assoziierungsabkommen, das sie aber als Paket anbietet und nicht mit den Einzelstaaten aushandeln will. Diesem "integralen" Ansatz verfolgt die FES auch bei ihrer politischen Arbeit in der Region.

Ortega ist erst seit 18 Monaten im Amt. Seitdem versucht er, mit venezolanischer und kubanischer Hilfe die gröbsten sozialen Ungerechtigkeiten zu lindern, ohne dabei die neoliberalen Strukturen zu demontieren. Ortega hat es sich mit der EU und den USA gleichermaßen verscherzt. Allen voran die Spanier sind sauer, weil er auf dem Iberoamerika-Gipfel 2007 den spanischen Energieerzeuger Fenosa als Ausbeuter anprangerte. Die US-Amerikaner ärgert Ortegas Nähe zu den linken Präsidenten Hugo Chávez, Evo Morales, Raúl und Fidel Castro. Außerdem weigert sich Managua, die sowjetischen Luftabwehrraketen vom Typ SAM-7 gegen medizinische Geräte "made in USA" zu tauschen - vielleicht weil sie das sicherere Mittel sind, um sich zwei hungrige Wölfe vom Hals zu halten.