Opfer der Colonia Dignidad fordern Gedenkstätte

Ehemalige Gefangene der deutschen Siedlung beklagen Trägheit der Justiz. Kritik auch am Schutz für Straftäter Hartmut Hopp

image001.png

Colonia-Dignidad-Opfer Adriana Borquez
Colonia-Dignidad-Opfer Adriana Borquez

Santiago de Chile. Ehemalige politische Gefangene, die während der Pinochet-Diktatur in der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad schweren Folterungen ausgesetzt waren, haben die Regierungen

von Chile und Deutschland zum Handeln aufgefordert.

In einem offenen Brief (PDF-Datei) an die Deutsche Botschaft in Santiago de Chile und die Regierung des rechtskonservativen Präsidenten Sebastián Piñera begrüßten die Autoren zugleich die jüngste Verurteilung mehrerer Straftäter aus der Colonia Dignidad. Die einstigen Führungspersonen der Siedlung waren wegen des in der Colonia Digniad an chilenischen Kindern begangenen systematischen sexuellen Missbrauchs zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Unter den zu Gefängnisstrafen verurteilten Personen befindet sich auch der 2011 nach Krefeld geflüchtete Arzt Hartmut Hopp, der Schutz durch den deutschen Staat genießt

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner weisen in ihrem Schreiben darauf hin, dass nach wie vor keine letztinstanzlichen Urteile zu den in der Colonia Dignidad in Zusammenarbeit mit der Militärdiktatur begangenen Verbrechen gegen die Menschenrechte vorliegen. In der Deutschensiedlung wurden während der Pinochet-Diktatur mehrere hundert Personen verhört und gefoltert. An die hundert Menschen sollen ermordet worden sein.

Der Brief, der auch von verschiedenen chilenischen Menschenrechtsorganisationen und Gedenkstätten unterstützt wird, fordert von der chilenischen Regierung und Justiz eine Beschleunigung der teilweise seit Jahrzehnten anhängigen Gerichtsverfahren und die Verurteilung der Täter. Deutschland wird aufgefordert, die Strafverfolgung von Hartmut Hopp zügig voranzutreiben.

Zudem werden beide Staaten aufgefordert, endlich das Leid der Opfer anzuerkennen. Dazu müssten Erinnerungs- und Gedenkmaßnahmen finanziert werden. Es sei für die Opfer schwer zu sehen, "wie Deutschland und Chile heute in der ehemaligen Colonia Dignidad Tourismusprojekte finanzieren, während die dort zu hunderten begangenen grausamen Morde und Folterungen totgeschwiegen werden", sagte Adriana Borquez anlässlich der Übergabe des Schreibens.

Bórquez war 1975 in die Colonia Dignidad gebracht und wochenlang verhört und gefoltert worden. Sie überlebte und berichtete 1977 vor dem Landgericht Bonn von den Folterungen. Die Colonia Dignidad hatte 1977 gegen die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und die Zeitschrift Der Stern geklagt. Diese sollten daran gehindert werden, zu berichten, dass die Siedlung eine Folterstätte der chilenischen Geheimpolizei DINA war. Das Verfahren vor dem Bonner Landgericht endete 1997 ohne eine Feststellung des Gerichts zur Hauptsache. Das Verfahren gilt als längster Prozess der bundesdeutschen Zivilrechtsgeschichte.