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Sektenarzt aus Colonia Dignidad könnte in Deutschland in Haft

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Fahndungsblatt von Hartmut Hopp bei Interpol
Fahndungsblatt von Hartmut Hopp bei Interpol

Düsseldorf. Die Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen zieht offenbar in Betracht, die Freiheitsstrafe des flüchtigen Arztes der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad selbst zu vollstrecken. Voraussetzung dafür sei ein entsprechender Antrag der chilenischen Justizbehörden, sagte Oberstaatsanwalt Axel Stahl gegenüber dem Westdeutschen Rundfunk (WDR).

Nachdem der Oberste Gerichtshof Chiles eine Freiheitsstrafe von gut fünf Jahren gegen Hopp wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger Ende Januar bestätigt hat, bestehe diese Möglichkeit, so Stahl: "Das würde bedeuten, dass nach einem entsprechenden rechtlichen Umwandlungsverfahren das ursprüngliche chilenische Urteil hier in Deutschland vollstreckt wird."

Für eine eigene Anklage reichten die Beweise der deutschen Justizbehörden bislang nicht aus, sagte Stahl. "In Grundsätzen müssen wir natürlich alle Beweismittel, die vorhanden sind beziehungsweise die denkbar sind, ausschöpfen, um ein umfassendes Bild zu gewinnen", fügte er im WDR-Interview an. Im Augenblick sei die Erkenntnislage jedoch nicht so, "dass wir in der Lage wären, einen hinreichenden Tatverdacht zu begründen".

Für die Colonia-Dignidad-Opfer Ruth und Andreas Schmidtke, die heute in Deutschland leben, ist das nicht nachvollziehbar. Sie erinnern sich an die Folter in der Colonia Dignidad. Oft seien bei den Misshandlungen ihre Augen verbunden gewesen. "Wenn nicht durch Zufall die Binde ein bisschen verrutscht ist, hättest du gar nicht gewusst, wer überhaupt bei dir ist", sagte Andreas Schmidtke ebenfalls im WDR-Gespräch. Hin und wieder habe er aber erkannt, wer dabei war, sagt Schmidtke und ist sich sicher: "Auch der Hopp war dabei."

Der inzwischen 68-jährige Hopp befindet sich seit Mitte 2011 in Deutschland, nachdem er aus Chile über mehrere Staaten Südamerikas geflohen ist. Nach Darstellung seines Anwalts, Helfried Roubicek, ist Hopp "nach über 50-jährigem Leben im Überseeausland (u.a. in Chile) in seine Heimat Deutschland zurückgekehrt".

Die Bundesregierung hat auf Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele unlängst erklärt, ein Verfahren gegen Hopp "im Maße ihrer Möglichkeiten" zu unterstützen.

Die Colonia Dignidad war 1961 von dem Evangelikalen Paul Schäfer gegründet worden. Nach dem Militärputsch gegen die sozialistische Regierung von Salvador Allende 1973 diente die Colonia Dignidad als Folter- und Vernichtungslager. Während der Herrschaft von Schäfer wurden Kinder und Jugendliche systematisch sexuell missbraucht.