Protest in Krefeld gegen Hartmut Hopp

Proteste vor dem Wohnhaus vom Arzt der Colonia Dignidad. Demonstranten fordern den Strafantritt des in Chile verurteilten Verbrechers

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Demonstranten vor dem Haus von Hartmut Hopp in Krefeld
Demonstranten vor dem Haus von Hartmut Hopp in Krefeld

Krefeld. Über 40 Personen haben sich am Samstag in Krefeld lautstark für die rasche Strafverfolgung des in Chile vom Obersten Gerichtshofs wegen Beihilfe

zum sexuellen Missbrauchs verurteilten deutschen Staatsbürgers Hartmut Hopp eingesetzt. Die Teilnehmer folgten einem Aufruf verschiedener Solidaritätsgruppen mit Lateinamerika, die zu einer in Europa noch ungewöhnlichen Protestform aufgefordert hatten, um die Nachbarn und Anwohner in Krefeld über den Aufenthalt des ehemaligen Führungsmitglieds der sogenannten Colonia Dignidad, einer deutschen Sektensiedlung in Chile aufzuklären. Eine sogenannte "Funa", die öffentliche Bloßstellung ehemaliger Schergen der Militärdiktatur Chiles, die sich der chilenischen Justiz entzogen haben und nun darauf bauen, in der Anonymität eines Alltags in Deutschland weiter zu leben, fand mit dieser Aktion zum weiten Mal in der bundesdeutschen Geschichte statt.

Hartmut Hopp war der Arzt und Krankenhausleiter der Colonia Dignidad. Gegründet wurde diese von Paul Schäfer, der Anfang der 1960er Jahre mit etwa 300 Anhängern von Siegburg nach Chile geflohen war, da er wegen Kindesmissbrauchs von der Staatsanwaltschaft Bonn gesucht wurde. In Chile errichtete Schäfer mit seinen Anhängern eine lagerähnlich geschlossene Siedlung, in der schwerste Menschenrechtsverbrechen begangen wurden. So wurden die Kinder der "Lagerinsassen" von Paul Schäfer vergewaltigt, die Mehrheit der restlichen Bewohner gefoltert, zur Zwangsarbeit getrieben und durch Medikamentenmissbrauch gebrochen. Während der Militärdiktatur unter General Pinochet (1973-1990) diente die Siedlung als Folterlager des Geheimdienstes (DINA). Hunderte Gegner der Diktatur wurden in der Siedlung gefoltert, und über 100 von ihnen sollen dort umgebracht worden sein. Sie gelten seitdem als "verschwunden".

Hartmut Hopp war aber nicht nur der Arzt der Siedlung, er gehörte auch zu ihrer Führung und vertrat sie in der Öffentlichkeit. Nachweislich traf er sich mit Diktator Pinochet und seinem Geheimdienstchef Manuel Contreras. Letzterer ist einer der wenigen hochrangigen Militärs, die wegen der Ermordung und des "Verschwindenlassens" von Oppositionellen derzeit in Chile eine langjährige Haftstrafe verbüßen. Der Oberste Gerichtshof Chiles verurteilte Hopp am 25. Januar 2013 zu fünf Jahren Haft. Aber nicht etwa wegen Mordes, sondern in diesem Falle ging es um den systematischen sexuellen Missbrauch und die Vergewaltigung von Kindern in der Siedlung. Gemeinsam mit Hopp wurden fünf ehemalige Führungsmitglieder der Siedlung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie traten vor einigen Wochen ihre Strafen an. Hopp floh im Mai 2011 mit seiner Frau Dorothea nach Deutschland, um der Haftstrafe in Chile und weiteren chilenischen Strafverfahren zu entgehen.

Die Fußgänger an diesem kalten und windigen Samstagnachmittag in der Nähe der Krefelder Einkaufsmeile reagierten interessiert aber oft ungläubig auf die Information, dass in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft solch eine "berüchtigte" Berühmtheit wohnt. Genau dies ist eines der wichtigsten Anliegen der Aktion, die in Chile "Funa", in Argentinien "Escratch" genannt wird. Da die Aufarbeitung der Menschenrechtsverbrechen schleppend und lückenhaft verläuft, versammeln sich vor allen Dingen junge Leute in der Nachbarschaft ehemaliger Schergen der Militärdiktaturen und machen die Anwohner durch laute Musik, Sketchszenen und Flugblätter auf diese Personen aufmerksam. Wenn auch nicht strafrechtlich, so sollen die Verantwortlichen zumindest in der Öffentlichkeit bloßgestellt werden.

Den Demonstranten in Krefeld reicht dies aber nicht, sie fordern wie Ninoska Quinchel aus Frankfurt, die Vollstreckung der Haftstrafe von Hartmut Hopp in Deutschland und die Errichtung einer Gedenkstätte auf dem Gelände der ehemaligen Colonia Dignidad. Bisher werden öffentliche Mittel über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Betriebsberatung für den Aufbau eines Tourismuszentrums in der ehemaligen Siedlung investiert. Damit dienen sie als wirtschaftliche Stütze des Nachfolgeprojekts der Colonia Dignidad, kritisiert Ninoska Quinchel. Sie sieht Deutschland in der Verantwortung zu einer symbolischen Versöhnung beizutragen. Denn obwohl die Menschenrechtsverbrechen in der deutschen Sektensiedlung bekannt waren, gingen jahrzehntelang weder die BRD noch die chilenische Regierungen dagegen vor.