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Bolivien will Passage zum Pazifik einklagen

Bolivien verklagt Chile vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Präsident Evo Morales bekräftigt weitere Dialogbereitschaft

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Die Delegation Boliviens in Den Haag. Außenminister David Choquehuanca gibt eine Erklärung für die Presse ab
Die Delegation Boliviens in Den Haag. Außenminister David Choquehuanca gibt eine Erklärung für die Presse ab

La Paz/Den Haag. Der Streit um einen seit Jahren von Bolivien gegenüber Chile geforderten souveränen Meerzugang hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Am Mittwoch hat die bolivianische Regierung eine Klage gegen Chile beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag eingereicht. Unmittelbares Ziel der Klage ist es, Chile zu verpflichten, über den Abschluss eines Abkommens mit Bolivien zu verhandeln, der dem Land einen souveränen Zugang zum Pazifik gewährt. Unterstützt wird die Regierung von Präsident Evo Morales bei diesem Schritt auch von Seiten der Opposition und breiten Teilen der Gesellschaft dieses Landes. Bereits seit März 2011 hatte Morales mehrfach die Vorbereitung einer Klage durch Historiker und Anwälte vor dem IGH angekündigt, zugleich aber immer auch weitere Dialogbereitschaft gegenüber Chile signalisiert.

Die Wurzeln des Konfliktes um den von Bolivien geforderten Zugang zum pazifischen Ozean reichen weit zurück. Im "Salpeterkrieg" (1879-1884), in dem es maßgeblich um Bodenschätze und die regionale Vorherrschaft ging, hatten chilenische Truppen die bis dahin bolivianische Stadt Calama eingenommen. Bolivien hatte dabei rund 400 Kilometer Küste und 120.000 Quadratkilometer Land, darunter die Bergbauprovinz Atacama, verloren. Im Jahr 1904 wurde dann im Rahmen eines Friedensvertrags zwischen Bolivien und Chile die Souveränität Chiles über die gewonnenen Gebiete festgeschrieben.

Das Abkommen von 1904 wird von bolivianischer Seite als ungerecht, aufgezwungen und kolonial empfunden. Ein weiterer Kritikpunkt ist der jährlich durch den Verlust des Küstenstreifens entstehende wirtschaftliche Schaden. "Nach so vielen Jahren des Versuches, einen souveränen Meerzugang zu erlangen, haben wir beschlossen, für die Gerechtigkeit vor den Internationalen Gerichtshof zu ziehen", betonte der bolivianische Präsident.

Die chilenische Regierung hingegen besteht auf ihrem Territorium und beruft sich dabei stets auf die Gültigkeit des Vertrages von 1904. Chiles rechtsgerichteter Präsident Sebastián Piñera lässt an der strikten Haltung seiner Regierung gegenüber Bolivien keine Zweifel. So sagte er am Mittwoch während einer Zeremonie mit Bezug auf die Klage Boliviens vor dem IGH, er werde "mit aller Kraft der Welt jeden Quadratmeter unseres Landes und Meeres verteidigen. Wir werden die chilenische Souveränität nicht aufgeben".

Auch die frühere chilenische Präsidentin Michelle Bachelet, die bei den kommenden Wahlen erneut kandidieren wird, sprach am Mittwoch von einem "schweren Fehler". Bolivien habe sich offenbar entschieden, auf den Weg des Dialogs zwischen beiden Ländern zu verzichten, fügte die Sozialdemokratin hinzu.

Seit 1962 unterhalten Chile und Bolivien keine direkten diplomatischen Beziehungen mehr und  das Verhältnis zueinander gilt seither als sehr angespannt. Zwar gab es in den letzten Jahren bilaterale Gespräche und zaghafte Versuche einer Annäherung. Jedoch sind alle bisherigen Ansätze gescheitert, eine Einigung im Konflikt um einen direkten Meerzugang zu erzielen. Der Schritt Boliviens, den Konflikt nun vor den Internationalen Gerichtshof auszutragen, kann als Versuch gesehen werden, die bisherige Stagnation der Verhandlungen zu durchbrechen.