Brasilien

Wahrheitskommission in São Paulo klärt Morde von 1968 auf

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Catarina Abi-Eçab und João Antônio dos Santos Abi-Eçab, ermordet am 8.November 1968
Catarina Abi-Eçab und João Antônio dos Santos Abi-Eçab, ermordet am 8.November 1968

São Paulo. In der vergangenen Woche hat der ehemalige Armee-Angehörige Valdemar Martins de Oliveira vor der Wahrheitskommission São Paulos ausgesagt und detailliert über die Entführung und Ermordung des Ehepaares Abi-Eçab im Jahr 1968 berichtet. Catarina Abi-Eçab und João Antônio dos Santos Abi-Eçab waren Philosophie-Studenten und Mitglieder der von Carlos Marighella mitbegründeten Stadtguerilla ALN (Nationale Befreiungsaktion).

Oliveira zufolge wurden die beiden von Oberst Freddie Perdigão mit Kopfschüssen hingerichtet. Perdigão war der erste Kommandant der kurze Zeit später gegründeten Koordinierten Repressionsabteilung der Streitkräfte DOI-CODI. Der Ex-Militär sagte aus, an der Entführung des Aktivisten-Ehepaars in einem Wohnviertel Rio de Janeiros beteiligt gewesen zu sein, sowie auch an den anschließenden Ereignissen. Die beiden seien in ein Gehöft außerhalb der Stadt verschleppt worden, wo sie gefoltert und anschließend erschossen wurden. Der Oberst habe den beiden Gefangenen mit seinem Colt Kaliber 45 aus nächster Nähe in den Kopf geschossen.

Damals behaupteten die Behörden, die Abi-Eçabs seien auf der Bundesstraße BR-116 gestorben, als eine Bombe, die sie in ihrem Auto transportierten, unbeabsichtigt explodierte. Sie standen unter Verdacht, an der Tötung des US-Amerikanischen Agenten Charles Rodney Chandler am 12. Oktober 1968 beteiligt gewesen zu sein. Bereits im Jahr 2000 hatte eine Obduktion ihrer Leichnahme Hinweise auf eine Exekution erbracht.

Bedeutsam waren auch die Aussagen Oliveiras über die Schulung und Indoktrination seiner damaligen Einheit durch US-amerikanische Agenten, die ihnen unter anderem Filmmaterial von in Vietnam durchgeführten Folterungen vorgeführt hätten.

Die Aussage Oliveiras fand während des Staatsbesuches von Bundespräsident Joachim Gauck in Brasilien statt. Es bleibt abzuwarten, ob Gauck seinen offiziellen Zusagen gegenüber Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff und den Wahrheitskommissionen gerecht wird, einen Zugang zu bundesdeutschen Archiven zu erwirken. Präsidentin Rousseff hatte Gauck ausdrücklich darum gebeten. Da die verschiedenen deutschen Regierungen von 1964 bis 1985 eng mit der Militärdiktatur in Brasilien zusammengearbeitet haben und die deutsche Industrie stark in dem südamerikanischen Land vertreten war, könnte das Archivmaterial Aufschluss über Verbrechen während der Diktatur geben. Aufgeklärt werden sollen unter anderen die Aktivitäten bundesdeutscher Firmen und deren Vertreter beispielsweise im Zuge der “Operation Bandeirantes”, einer Vorläuferformation der DOI-CODI, die aus Spendengeldern lokaler und internationaler Industrieller und Konzerne finanziert wurde und Gewerkschafter sowie andere organisierte Linke beseitigen sollte.