Konflikt um indigene Territorien in Brasilien

Indigenenbehörde FUNAI unter Druck. Indigene protestieren in Brasília gegen Belo-Monte-Staudamm

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Konflikte zwischen Polizei und Indigenen um den Belo Monte-Staudamm
Polizei gegen Indigene im Konflikt um den Belo-Monte-Staudamm im Bundesstaat Pará

Brasília. Der Konflikt um die demarkierten indigenen Territorien in Brasilien nimmt an Schärfe zu. Im Bundesstaat Mato Grosso do Sul wurden innerhalb weniger Tage zwei Indigene der Gemeinschaft der Terena Opfer von Polizeikugeln,

als besetzte Ländereien geräumt wurden, die sich zuvor Großgrundbesitzer angeeignet hatten. Wie erste Nachforschungen zu den Vorfällen ergaben, hat die Bundespolizei sich bei den Einätzen "nicht an die Vorschriften gehalten".

Währenddessen fuhren die rund 200 Indigenen, die zuvor die Baustelle des Staudamms Belo Monte besetzt hielten, nach Brasília, um der Regierung ihre Beschwerden über die Großstaudämme wie Belo Monte zu übergeben.

Jüngstes Opfer der sich zuspitzenden Konflikte um indigene Territorien in Brasilien wurde nun die Indigenenbehörde FUNAI selbst, denn die Regierung in Brasília hat der FUNAI die alleinige Kompetenz über die Demarkationen indigenen Landes entzogen. Nun soll die FUNAI zusammen mit der staatlichen Agrarforschungsbehörde EMBRAPA, dem Landwirtschaftsministerium und dem für landwirtschaftliche Entwicklung zuständigen Ministerium die anthropologischen Studien für die Vorbereitung der Demarkation vornehmen. Die EMBRAPA und das Landwirtschaftsministerium standen historisch schon immer an der Seite des Agrobusiness. Das Ministerium für landwirtschaftliche Entwicklung ist für Kleinbauern zuständig, hat aber weniger Einfluß als das Agrarministerium.

Nachdem ihr wesentliche Zuständigkeiten entzogen wurden, erklärte Ende vergangener Woche die Präsidentin der Behörde, Marta Azevedo, ihren Rücktritt. Offiziell wurde dieser mit gesundheitlichen Motiven begründet, doch Beobachter gehen davon aus, dass der Rücktritt mit den jüngsten politischen Angriffen auf die FUNAI im Zusammenhang steht.

Vor allem von Seiten des mächtigen brasilianischen Agrobusinesses, das einen Großteil der Parlamentarier im Nationalkongress stellt, wurde die FUNAI seit langem als zu indigenen-freundlich kritisiert. Der Behörde wurde vorgeworfen, ein Großteil ihrer anthropologischen Studien seien unzutreffend und basierten auf falschen Daten. So wurde der FUNAI in einer Ende der Woche bekannt gewordenen Studie vorgeworfen, ihre Studien zu Regionen im Bundesstaat Paraná seien falsch, da dort traditionell keine Indigenen lebten. Der Medienkonzern Globo ging so weit und zitierte die lokalen Präfekte und Farmer, die Indigenen würden aus Paraguay von den FUNAI-Leuten dorthin gebracht. Der Indigenenmissionsrat CIMI wies diese Vorwürfe scharf zurück und auch d‪ie Behördenmitarbeiter der FUNAI setzten sich in einem offenen Brief gegen die Angriffe auf ihre Behörde zur Wehr.

Nun blickt die Indigenenbehörde selbst auf eine mehrere Jahrzehnte lange – und dabei auch blutige – Geschichte zurück. Ihre 1910 gegründete Vorgängerorganisation SPI war jahrzehntelang an der Repression und auch an der physischen Vernichtung indigener Gruppen beteiligt, wie der unlängst wieder aufgetauchte Figueiredo-Report offenlegte. Auch galt die FUNAI lange als hoffnungslos korrupt, da von Indigenen bewohntes Land oft gegen Schmiergeld den lokalen Farmern übertragen wurde. In den letzten Jahren hatte sich die FUNAI jedoch deutlich geändert. Da deren Mitarbeiter in den lokalen Büros nicht mehr so leicht käuflich sind wie früher, erfolge nun der Großangriff der Farmer auf die Behörde.

Zugleich plant die Regierung in Brasília die Allianzen zur Sicherung ihrer Regierungsmehrheit bei den 2014 anstehenden Wahlen und die Farmer stellen als informelle Fraktion die mächtigste und größte Gruppe im brasilianischen Kongress. In dieser Gemengelage, so analysiert Egon Heck vom Indigenen-Missionsrat CIMI, schreitet der Großangriff auf die indigenen Territorien voran: "Nach ihrem Sieg beim Waldschutzgesetz Código Florestal hat sich die Farmerfraktion nun die Demarkation indigener Territorien als neues Ziel ausgesucht", so Heck, der seit über vierzig Jahren mit indigenen Gruppen zusammen arbeitet.

Für die indigene Bevölkerung Brasiliens ist der Kompetenzentzug für die FUNAI eine Katastrophe, darin sind sich Fachleute einig. "Die (Territorien) sollen durch das Agrobusiness annektiert und für die kapitalistische Exploration des Bergbaus geöffnet werden, oder sie sollen bedeckt werden mit den Fluten der Stauseens der großen Wasserkraftwerke“, so das Fazit von Egydio Schwade, einem der Mitbegründer des Missionsrates für Indigene CIMI.