Quito. In Bezug auf den US-amerikanischen Geheimdienst-Enthüler Edward Snowden sind sich fast alle deutschen Medien einig. Zuflucht in Ecuador zu suchen, sei unverständlich
, heißt es von dieser Seite. Das südamerikanische Land verletzte schließlich die Pressefreiheit. Zitiert werden dabei häufig die Kritiken des US-Außenministeriums, der Interessensorganisation Reporter ohne Grenzen oder Amnesty International.
Den Beweis für diese Befürchtungen soll unter anderem das neue Kommunikationsgesetz Ecuadors liefern, das vergangene Woche von dem Parlament in Quito verabschiedet wurde. Auch in Ecuador sind die Meinungen zu dem Gesetzeswerk geteilt. Die großen Pressekonzerne und ein Teil der Opposition bezeichnen das Gesetz als "Knebelgesetz", das die Pressefreiheit einschränke.
Angeführt wird unter anderem, dass die Frequenzen für TV und Radio für die private Presse auf einen Anteil von 33 Prozent eingeschränkt werden sollen. Außerdem wird der vierte Paragraf des Gesetzes angeführt, der die Verleumdung von Personen und juristischen Personen unter Strafe stellt. Auch ist ihnen die neu zu schaffende Medienaufsicht ein Dorn im Auge. Sie verlangen, dass der bisherige Zustand – ein vollständiger Verzicht auf Medienregulierung – fortgesetzt wird. Ein Oppositioneller erklärte: "Das beste Mediengesetz ist das, was es nicht gibt". Das US-Außenministerium unterstellt, das Gesetz entspreche nicht den internationalen Standards, obwohl in den meisten Ländern, auch in Europa, vergleichbare Regulierungen existieren.
Reporter ohne Grenzen (ROG) übernimmt auf ihrer Homepage fast wörtlich die Kritik der interamerikanischen Menschenrechtskommission der US-dominierten Organisation Amerikanischer Staaten, der CIDH. Deren Sprecherin Catarina Botero schickte einen Brief an die Regierung in Ecuador und forderte sie auf, die internationalen Standards der Pressefreiheit einzuhalten. Die gleichen Kritikpunkte führen auch die Opposition und die großen Medien in Ecuador an. ROG kritisiert in einer Stellungnahme, dass "Information als öffentliches Gut" definiert wird. Zudem kritisiert ROG, dass die Redaktionen sich eigene Verhaltenskodizes zulegen sollen, in denen gesetzliche Mindeststandards für die journalistische Sorgfaltspflicht zu beachten sind.
Dass es sich hier offensichtlich um einen Machtkonflikt handelt, benennt in Deutschland einzig Sebastian Schoepp in der Süddeutschen Zeitung: "Der Präsident liegt mit den Pressorganen der Elite über Kreuz. Die Medienlandschaft soll demokratisiert werden, d.h. monopolartige Kartelle privater Unternehmen sollen aufgebrochen werden durch mehr Konkurrenz, durch staatliche Sender und Bürgerradios". Die sozialen Bewegungen und viele Medienmacher in Ecuador bewerten das neue Gesetz als historische Errungenschaft. An dem dreijährigen Diskussionsprozess waren sie beteiligt und ihre Vorschläge wurden in das Gesetz aufgenommen.
So hatte dann auch der Vorsitzende der indigenen Organisation CONAIE, Huberto Cholango, die Parlamentsabgeordneten der Partei Pachakutik aufgefordert, für das Gesetz zu stimmen. Für ihn ist das Gesetz eine historische Errungenschaft, die den indigenen Gemeinden durch die neue TV- und Radio-Frequenzzuteilung zugute kommt. Auch ein Sprecher der indigenen Organisation Ecuarunani, Carlos Peréz würdigte diesen Aspekt als Errungenschaft.
Mark Weisbrot, Co-Direktor des US-amerikanischen Forschungszentrums CEPR, sieht in den Vorwürfen über die angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit eine "Kampagne" und argumentiert in einem Artikel des Guardian, Ecuador sei eine gute Wahl für Edward Snowden. "Jeder, der in dem Land war, weiß, dass die internationalen Medien eine Karikatur von einem Staat verbreiten, der angeblich die Pressefreiheit einschränkt. Die privaten Medien in Ecuador sind noch stärker in einer Oppositionsrolle als unsere in den USA und attackieren jeden Tag die Regierung. Unglücklicherweise unterstützen Organisationen wie Americas Watch und das Komitee für den Schutz von Journalisten diese Kampagne Washingtons gegen Ecuador."