Erste Erfolge der Proteste in Brasilien

Erstmals Haftbefehl gegen einen amtierenden Abgeordneten. Donadon bereits 2010 wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder verurteilt

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Erstes Opfer der Proteste: Der Abgeordnete Natan Donadon muss eine Haftstrafe auch tatsächlich antreten
Erstes Opfer der Proteste: Der Abgeordnete Natan Donadon muss eine Haftstrafe auch tatsächlich antreten

Rio de Janeiro. Am 28. Juni 2013 wurde erstmals seit der Verabschiedung der Verfassung von 1988 in Brasilien ein Haftbefehl

gegen einen amtierenden Abgeordneten vollstreckt, der bereits von einem Gericht rechtskräftig verurteilt worden war. Der Kongressabgeordnete Natan Donadon wurde schon 2010 zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er als parlamentarischer Geschäftsführer des Landesparlaments in Rondônia acht Millionen Reais an öffentlichen Geldern veruntreut hatte. Donadon hatte vor dem Obersten Gerichtshof (STF) Widerspruch gegen die Vollstreckung des Urteils eingelegt. Der Oberste Gerichtshof wertete diesen nach fast zwei Jahren am 26. Juni überraschend als "bloßes Verzögerungsmanöver" und verhängte mit sofortiger Wirkung einen Haftbefehl.

Damit beendete der STF die bisherige Praxis, nach der amtierende Parlamentarier ihre Haft nicht antreten müssen. Natan Donadon flüchtete zunächst an einen unbekannten Ort, stellte sich aber am 28. Juni in Brasília der Polizei, von der er in das Gefängnis von Papuda gebracht wurde. Die Tageszeitung O Globo meldete, er sei in einer "Einzelzelle von sechs Quadratmetern in einem Flügel mit 2.600 Gefangenen" untergebracht worden, wo er "auf einer Matratze auf einem Betonbett schlafen müsse und nur einen Gemeinschaftsfernseher auf dem Gang zur Verfügung habe." Die brasilianische Presse wertet das Vorgehen des Gerichts als "Tabubruch".

Möglicherweise müssen sich weitere vier Abgeordnete der Arbeiterpartei PT, die kürzlich wegen Korruption im sogenannten "Mensalao-Prozess" verurteilt wurden, auf ähnliche Gerichtsentscheidungen und den Antritt ihrer Haft vorbereiten. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs reiht sich ein in eine ganze Reihe von aktuellen Änderungen, in denen Politik und Justiz auf die andauernden Proteste in Brasilien reagieren: Am 26. Juni hob die Kommission für Verfassung und Justiz die Praxis der geheimen Abstimmung bei der Aufhebung der Immunität von Abgeordneten auf. Möglicherweise wird die offene Abstimmung nun im Fall von Natan Donadon zum ersten Mal praktiziert werden. Die Aufhebung seiner Immunität wurde bereits eingeleitet, Donadon kann diese aber während der nächsten fünf Sitzungen des Kongresses dort noch verteidigen.

Ebenfalls am 26. Juni verabschiedete der Senat ein Gesetz, das Veruntreuung, sowie aktive und passive Korruption zu schweren Straftaten macht, vom Strafmaß vergleichbar mit einer Vergewaltigung. Der Gesetzesentwurf lag dem Senat bereits seit 2011 vor. Überraschend abgelehnt wurde – ebenfalls in dieser Woche – der Gesetzentwurf PEC 37, der die Verfolgung von Straftaten durch die Staatsanwaltschaft verboten und diese ausschließlich auf die Polizei übertragen hätte. Die Ablehnung der PEC 37 war eine weit verbreitete Forderung während der Proteste der letzten zwei Wochen.

Im Fall der Einnahmen aus Erdöllizenzen, den sogenannten Royalties, beschloss der Kongress 75 Prozent der Einnahmen für Bildung auszugeben und 25 Prozent im Gesundheitsbereich. Er folgte damit nicht dem Vorschlag der Regierung Dilma Rousseff, die die Einnahmen zu 100 Prozent für den Bildungssektor verwenden wollte, sondern reagierte auf die öffentlichen Forderungen nach Verbesserungen im Gesundheitswesen. Die aktuellen politischen Ereignisse kommentierte Randolfe Rodrigues, Senator der linken Partei PSOL so: "Ich glaube, ich bin gestorben und im Himmel. Der Kongress hat die PEC 37 abgelehnt. Der Senat war voll besetzt, an einem Tag, an dem die Nationalmannschaft spielte, um Korruption in eine schwere Straftat zu verwandeln."

Gleichzeitig halten die Proteste in Brasilien weiter an. Am 27. Juni verlief eine Großdemonstration in Rio de Janeiro friedlich. Zwei Tage später demonstrierten landesweit Tausende am "Tag des Stolzes von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen" (Christopher Street Day). Sie forderten die Absetzung des Vorsitzenden der Kommission für Menschenrechte, Marcos Feliciano, der mehrfach homophobe Äußerungen gemacht hat.

Für Sonntag ist eine weitere Großdemonstration in Rio de Janeiro unter dem Motto "Sonntag geh ich zum Maracaná-Stadion" geplant. Im Aufruf wird eine sofortige Annullierung der Privatisierung des Stadions und ein Ende der Umsiedlungen und Wohnraumzerstörung für die WM und die Olympiade gefordert. Ab 19 Uhr findet im Maracana das Finale des Conferations Cup statt, in dem sich Brasilien und Spanien gegenüberstehen. Die FIFA verlangt eine zwei Kilometer breite "Bannmeile" um alle Stadien, so dass es möglicherweise wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei kommt.