Venezuela / Wirtschaft

Touristen statt Erdöl für Venezuela

Minister Izarra im amerika21.de-Interview: Branche soll massiv ausgebaut werden. Werbeoffensive in Deutschland

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Tourismusminister Andrés Izarra im Interview mit Amerika21.de-Redakteur Harald Neuber
Tourismusminister Andrés Izarra im Interview mit Amerika21.de-Redakteur Harald Neuber

Berlin. Venezuelas Tourismusminister Andrés Izarra hat im Interview mit amerika21.de die negative Berichterstattung über das südamerikanische Land als ein Haupthemmnis für den beabsichtigten Ausbau des Fremdenverkehrs bezeichnet. Zugleich kündigte der Politiker an, noch in diesem Jahr stärker um Touristen aus Deutschland und anderen europäischen Staaten zu werben. Das Ziel seines Ministeriums sei, die Zahl von derzeit rund 780.000 ausländischen Gästen mittelfristig auf über zwei Millionen zu steigern. In diesem Fall könnte der Tourismus dabei helfen, die Abhängigkeit der venezolanischen Wirtschaft vom Erdöl zu verringern, sagte der Politiker.

Eines der Hauptprobleme für die venezolanische Tourismusindustrie seien die ständigen Berichte über Gewalt in Venezuela, sagte Izarra. "Wir haben ein Problem mit der Gewalt im Land, dem wir uns durchaus widmen", entgegnete der Politiker auf Nachfrage. Jedoch sei die Lage nicht schlimmer als in Kolumbien, wo ein Bürgerkrieg herrsche. "Unser Problem ist also nicht primär die Unsicherheit, sondern die Berichterstattung, unser Problem ist eine Dämonisierungskampagne, deren eigentlicher Grund unser politischer Prozess ist", fügte Izarra an. In Venezuela finde man am Straßenrand keine abgeschnittenen Köpfe und es würden keine Menschen unter Brücken aufgehängt, wie dies in Mexiko geschehe. In Venezuela gebe es auch keine Massaker wie in Kolumbien. "Aber weder Mexiko noch Kolumbien haben einen alternativen politischen Prozess, der sich gegen die Interessen der großen Mächte und der Medienkonzerne richtet", sagte Izarra, der unter dem verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez das Amt des Kommunikations- und Informationsministers bekleidet hatte und auch dem lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur vorstand.

Zugleich bezeichnete Izarra den politischen Tourismus als Chance. "Unser politischer Prozess ist auch ein Vorteil, denn er stößt auf viel Neugier. Viele Menschen wollen erfahren, wie Venezuela eine soziale und politische Alternative in dieser Welt schafft", sagte er. Zwar kämen aus Europa bislang nur wenige Polittouristen. "Vor allem aber in Lateinamerika ist Venezuela als politisches Reiseziel bekannt", sagte Izarra. Dazu würden auch die Treffen von Regionalorganisationen wie der ALBA, der Celac oder anderen multilateralen Organisationen beitragen.

Die wirtschaftlichen Probleme Venezuelas wirken sich nach Ansicht Izarras nicht negativ auf den Fremdenverkehr aus. "In Venezuela gibt es eine stark gestiegen Produktnachfrage, was an der gesteigerten Kaufkraft liegt – das ist ein Resultat der Revolution", sagte er. Die Aufgabe sei daher, die Produktion anzukurbeln, um diese gestiegene Nachfrage bewältigen zu können. Das betreffe auch den Tourismus. "Im ersten Quartal des Jahres sind gut 25 Prozent mehr Touristen nach Venezuela gekommen. All das wirkt sich auf die wirtschaftlichen Dynamiken aus", so Izarra.

Das Ziel sei, die Grenze von einer Million Touristen zu knacken. "Dabei geht es auch darum, Devisen zu erwirtschaften, um Alternativen zur Erdölwirtschaft aufzubauen", sagte der Minister. International trage der Tourismus im Schnitt neun Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei: "In Venezuela liegen wir derzeit bei rund 3,5 Prozent." Um diesen Anteil zu verdreifachen, müsse die Zahl auf bis zu 2,5 Millionen Touristen gesteigert werden, fügte der Minister an: "Dieses Ziel halte ich für das Jahr 2019 für realistisch."