Kolumbien / Politik

Einigung über politische Teilhabe in Kolumbien

Regierung Santos und FARC einigen sich auf Garantien für politische Opposition. Guerilla fordert "Recht auf Subversion"

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Der Sprecher der FARC-Delegation, Iván Márquez, bei der Pressekonferenz am 19. September
Der Sprecher der FARC-Delegation, Iván Márquez, bei der Pressekonferenz am 19. September

Havanna. Die Delegationen der Regierung Kolumbiens und der FARC-Guerilla haben im Rahmen der laufenden Friedensgespräche in der kubanischen Hauptstadt Havanna eine Einigung über Regelungen zur politischen Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger des südamerikanischen Landes erzielt. Dies geht aus einem gemeinsamen Kommuniqué zum Abschluss der 14. Gesprächsrunde hervor, das am vergangenen Donnerstag in Havanna veröffentlicht wurde.

Es seien Vereinbarungen zur Frage der "Rechte und Garantien für die Ausübung politischer Opposition im Allgemeinen und insbesondere für neue Bewegungen, die sich nach der Unterzeichnung des endgültigen Abkommens bilden" getroffen worden. Auch über den "Zugang zu Kommunikationsmedien für diese Bewegungen" habe man eine Regelung ausgehandelt. Darüber hinaus habe es Fortschritte bei der Festlegung von Maßnahmen "zur Förderung und Garantie der politischen Beteiligung der Bevölkerung" gegeben. Details wurden nicht genannt. Die Gespräche werden am 3. Oktober fortgesetzt.

Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag kritisierte die FARC-Delegation erneut das "einseitige Handeln" von Präsident Juan Manuel Santos. Dieser hatte eine Gesetzesinitiative zur Durchführung eines Referendums über ein Friedensabkommen parallel zu den nationalen Wahlen im Mai 2014 eingereicht. Dies wird von der Guerilla abgelehnt. Die Regierung habe damit "außerhalb des Geistes und des Textes der Vereinbarung von Havanna über die Friedensgespräche" gehandelt, hieß es seitens der Rebellen. Beide Seiten hatten sich im August 2012 darauf geeinigt, dass die Diskussion über die Mechanismen der Abstimmung über ein Friedensabkommen an sechster Stelle der Tagesordnung steht. Mit der politischen Teilhabe sei aber gerade erst eine Einigung über den zweiten Punkt getroffen worden. Auch sei das zugesagte Treffen mit Vertretern des Parlaments und verschiedener politischer Parteien in Havanna nicht zustande gekommen, bei dem die FARC über ihre Position bezüglich des Referendums informieren wollten.

"Wenn wir in der Diskussion an den sechsten Punkt gelangen, werden wir auf der Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung bestehen", betonte der Sprecher der FARC-Delegation, Iván Márquez. Alle gesellschaftlichen Gruppen sowie das Parlament müssten an der Umsetzung der erzielten Einigungen und der Klärung bestehender Meinungsverschiedenheiten beteiligt werden.

Im Verlauf der 14. Gesprächsrunde hatten die Rebellen unter anderem die Anerkennung eines "Rechts auf Subversion" gefordert. Die Kriminalisierung von politischen, sozialen und Volksbewegungen müsse verboten und das Recht, die kapitalistische Ordnung infrage zu stellen und Opposition gegen die Politik des Staates auszuüben, müsse garantiert werden. Um eine demokratische und partizipative politische Kultur in Kolumbien zu entwickeln, müsse die "Doktrin der nationalen Sicherheit und Aufstandsbekämpfung" geächtet werden.

Eine weitere Forderung galt der Bildung einer unabhängigen Kommission "zur Aufarbeitung und Klärung der Wahrheit der Geschichte des internen kolumbianischen Konflikts". Diese solle einen offiziellen Bericht weiter ausarbeiten, der im Juli dieses Jahres vom Nationalen Zentrum für historische Erinnerung veröffentlicht worden war. Der Bericht sei korrekt, greife aber zu kurz, so die FARC. Um die Ursachen des bewaffneten Konfliktes zu erfassen, müsse die Forschung auf die Zeit des gewaltsamen Konflikts zwischen Liberalen und Konservativen von 1948 bis 1958 erweitert werden. Im Jahr 1948 war der linksgerichtete Präsidentschaftskandidat Jorge Eliécer Gaítan ermordet worden, ein beliebter Politiker, der soziale Gerechtigkeit und eine Reform des Finanz- und Agrarsystems forderte. Bei dem darauf folgenden Bürgerkrieg, der bis 1958 andauerte, kamen zwischen 180.000 und 300.000 Menschen ums Leben. Die Kommunistische Partei und organisierte Bauern bildeten Selbstverteidigungsgruppen, aus denen 1964 die Guerillaorganisationen FARC und ELN hervorgingen. Die Kommission müsse auch Zugang zu den Archiven der Geheimdienste aus den 1940er und 1950er Jahren sowie zu den Protokollen der Ministerratsentscheidungen über Inhaftierungen ohne richterliche Genehmigung bekommen. Aus diesen Untersuchungen würden die Verantwortlichkeiten der Beteiligten des Konfliktes hervorgehen – weit über die bewaffneten Aufständischen hinaus, so die FARC.