Kolumbien: Bericht über Staatsverbrechen vorgelegt

Missbrauch gegen Zivilisten in Militärhandbüchern angeordnet. Staatsverbrechen seien bis heute Bestandteil der Politik

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Vorstellung des Berichts "Paz sin Crímenes de Estado: Memoria y propuestas desde las víctimas". Links im Bild: Iván Cepeda
Vorstellung des Berichts "Paz sin Crímenes de Estado: Memoria y propuestas desde las víctimas". Links im Bild: Iván Cepeda

Bogotá. Militärhandbücher in Kolumbien haben Vorgaben enthalten, um Menschen zu foltern, außergerichtlich zu töten und zu vertreiben. Dies geht aus dem Bericht "Frieden ohne Staatsverbrechen: Gedenken und Vorschläge aus der Perspektive der Opfer" der Menschenrechtsorganisation MOVICE hervor. Das knapp 240-seitige Dokument der "Bewegung der Opfer von Staatsverbrechen" wurde vergangenen Dienstag bei einer Pressekonferenz vorgestellt. Der Bericht fasst den Verlauf der staatlichen Gewalt gegen die Bevölkerung zwischen 1946 und 2012 zusammen.

Besondere Erwähnung findet darin eine Reihe von Handbüchern der Sechziger, Siebziger und Achtziger Jahre, die im Rahmen der "Sicherheitsdoktrin" dem Militär illegale Maßnahmen vorschreiben, um den "internen Feind" zu bekämpfen. So lehrt ein Ausbildungsbuch von 1963, dass der feindliche Festgenommene bei der Befragung "das Leid und den Tod in Kauf nehmen muss, dem er sich bislang entziehen konnte".

Staatsvertreter hätten in internationalen Foren zwar gesagt, dass solche Dokumente und Richtlinien abgeschafft worden seien. Der Staatsrat habe im Jahr 2009 jedoch bestätigt, dass zumindest zwei der untersuchten Handbücher noch in Kraft seien.

Den Autoren und Herausgebern des Berichts gehe es vor allem darum zu zeigen, dass die Staatsverbrechen im Laufe der letzten 50 Jahre nicht zufällige oder isolierte Fälle seien, sondern einen systematischen Charakter hätten, sagte der Vorsitzender von MOVICE, der Parlamentarier Iván Cepeda. Die kalkulierte Gewalt des Staates gegen Zivilisten äußere sich beispielsweise in Militärschriften, die befehlen, Menschen wegen ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Feindlichkeit gegenüber dem Militär zu vertreiben.

Das sei der Fall in einem Militärhandbuch von 1978, das vorschreibt, die Bevölkerung in weiße, graue und schwarze Listen einzuteilen. Die angeblichen Unterstützer der Guerillas, die zu den schwarzen Listen gehören, aber auch die unentschlossenen Menschen der grauen Listen müssten mit dem Tod bedroht und vertrieben werden, so das Militärschriftstück, das im Bericht zitiert wird. Die weißen Listen sind für die eindeutigen Anhänger des Militärs reserviert.

Laut den Prinzipien der Handbücher gelten als "interner Feind" alle Menschen, die sich nicht mit dem Staat solidarisieren. Das erkläre, wieso Gewerkschafter, Studentenaktivisten, Mitglieder von Kleinbauernverbänden, Nachbarvereinigungen oder indigene Gemeinden traditionell häufig Opfer des Militärs und der Paramilitärs seien, führt MOVICE in dem Bericht weiter aus. In den Handbüchern wurde ebenfalls erklärt, dass Streiks und Mobilisierungen sehr gefährlich für die Stabilität des Staates sein können.

Nicht nur die vorgelegten Opferzahlen der letzten Jahre verweisen auf eine aktuelle systematische Verfolgung politisch aktiver Menschen durch den Staat. Das Dokument nimmt auch Bezug auf Sicherheitseinheiten wie die GAME, die Mitte der 2000er Jahre gegründet wurde und für illegale Durchsuchungen und Diebstähle bei Gewerkschaften verantwortlich sei. Ebenso sei die G3 für die Verfolgung von kritischen Journalisten und Menschenrechtlern zuständig gewesen. Beide Organe seien zum Teil mit US-Geldmitteln finanziert und nach dem Bespitzelungsskandal des Sicherheitsdienstes DAS aufgelöst worden.

Im Hinblick auf den Friedensdialog von Havanna wolle der Bericht klarstellen, dass die Anerkennung der Systematik der Staatsverbrechen, die erste Voraussetzung für einen künftigen Frieden sei, so Cepeda. Mit der Pressekonferenz zur Vorstellung des Schriftstücks wurde gleichzeitig das Haus von MOVICE eingeweiht.