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Ärzteprogramm in Brasilien zeigt Erfolge

Regierung wirbt tausende Mediziner an. Versorgungslücke in Favelas und auf dem Land geschlossen. Disput um kubanische Ärzte

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Ärzte des Programms Mais Médicos bei einem Vortrag
Ärzte des Programms Mais Médicos bei einem Vortrag

Brasília. Trotz massiver Proteste von Ärzteorganisationen gegen die Anwerbung ausländischer Kollegen hat das medizinische Hilfsprogramm Maís Médicos in Brasilien die Versorgungslage in ländlichen und verarmten Gebieten in den vergangenen Wochen und Monaten massiv verbessert.

Der Erfolg des Programms, das sich vor allem auch auf die Entsendung von 5.400 Ärzten aus Kuba stützt, könnte für die amtierende Präsidentin Dilma Rousseff die Chancen auf eine Wiederwahl 2014 verbessern, heißt es in einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters. Indes hat sich auch aus Europa der Zustrom von Ärzten nach Brasilien erhöht: Die Agentur EFE berichtet, dass die Zahl der Anträge spanischer Ärzte für eine Arbeitserlaubnis im Ausland um 36 Prozent gestiegen ist. Nach nur elf solcher Anträge für Brasilien im Jahr 2012 hätten im ausklingenden Jahr 216 spanische Mediziner eine Arbeitserlaubnis für Brasilien beantragt.

Mit dem Programm "Mais Médicos" (Mehr Ärzte) erfüllte Präsidentin Dilma Rousseff von der regierenden Arbeiterpartei (PT) eine Hauptforderung der Demonstranten, die sich an den zahlreichen Protesten im Sommer dieses Jahres beteiligten. Mit dem ambitionierten Programm sollen bis zu 15.000 Ärzte ins Land geholt werden, um Versorgungslücken in entlegenen Regionen zu schließen. Brasilianische Ärzteverbände liefen gegen die Initiative Sturm, vor allem der "Import" von Kollegen aus Kuba sorgte für Widerspruch.

Die Regierung Rousseffs versucht, mit Mais Médicos ein Ungleichgewicht zu beheben: Die Versorgung mit Ärzten beschränkt sich maßgeblich auf die urbanen Zentren. In den weitläufigen ländlichen Gebieten des brasilianischen Südens, vor allem der unzugänglichen Amazonas-Region, stehen hingegen kaum Ärzte zur Verfügung. Diese Unterversorgung spiegelt sich auch in den landesweiten Statistiken wider. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge kommen in Brasilien auf 1.000 Einwohner gerade einmal 1,8 Ärzte. In Deutschland sind es 3,6 Mediziner. Das Programm Mais Médicos versucht, das Problem nach Angaben des brasilianischen Gesundheitsministeriums daher in zwei Schritten anzugehen. Zunächst soll die Versorgung bislang unzureichend ausgestatteter Gegenden verbessert werden, indem die Zahl der Ärzte angehoben wird. Mittelfristig aber werden strukturelle Reformen notwendig sein, gesteht auch die Regierung ein: Sie spricht von insgesamt 54.000 fehlenden Ärzten.

Neben dem Disput über die Qualifikation der ausländischen Ärzte weisen einige brasilianische Verbände vor allem die Anwerbung von kubanischen Ärzten zurück. Von den 10.000 Reais (rund 3.000 Euro), die diese monatlich verdienen, wird ihnen von einem staatlichen kubanischen Vermittler nur knapp ein Drittel ausgezahlt. Dass auch dieses Gehalt das Einkommen in Kuba noch um ein Vielfaches übersteigt, beschwichtigte die Kritiker nicht. Als die ersten kubanischen Mediziner in Brasilien landeten, empfingen brasilianische Kollegen sie wenig freundlich, indem sie am Flughafen "Stümper" und "Sklaven" skandierten.

Während der Weltärztebund sich der kritischen Position einiger brasilianischer Berufsvereinigungen anschloss, verteidigen die WHO und die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) das Vorgehen. Man sehe das Programm "mit Enthusiasmus", und es sei richtig, kurzfristig Ärzte ins Land zu holen, um die Engpässe zu überbrücken. Mittelfristig müsse Brasiliens Regierung jedoch auch mehr für die Ausbildung im eigenen Land unternehmen, heißt es in einer Erklärung von WHO und PAHO. Die UN-Organisationen hatten zuvor mit den brasilianischen Partnern vereinbart, dass keine Mediziner aus Ländern abgeworben werden, deren Versorgung unter der Quote von 1,8 Ärzten pro 1.000 Einwohner liegt. Mit der Anwerbung kubanischer Mediziner hat man bei der WHO und ihrer lateinamerikanischen Partnerorganisation daher keine Probleme. In dem Karibikstaat liegt die Quote bei 6,7 Ärzten auf 1.000 Einwohner.