Ungleichheit in Lateinamerika weiter reduziert

Lateinamerika schafft Wende entgegen dem globalen Trend. UN-Wirtschaftskommission empfiehlt weitere Anstrengungen

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Alicia Bárcena
Die CEPAL-Vorsitzende Alicia Bárcena stellt in Havanna ihre Analyse vor

Oxford/Havanna. Lateinamerika ist die einzige Weltregion, die im vergangenen Jahrzehnt die Ungleichheit in der Einkommensverteilung reduzieren konnte. Dies geht aus dem jährlichen Verteilungsbericht der Entwicklungsorganisation Oxfam hervor. Demnach weisen heute 14 der 17 untersuchten Länder auf dem Kontinent eine ausgewogenere Verteilung auf als vor zehn Jahren. Dies steht in Kontrast zur weltweiten Entwicklung, für die Oxfam insbesondere seit Beginn der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2007 eine massive Zunahme der Einkommensunterschiede konstatiert.

"Der Fall Lateinamerikas macht Hoffnung, dass der globale Trend zunehmender Ungleichheit umgekehrt werden kann", heißt es in dem Bericht. Die Reduktion der Ungleichheiten sei in erster Linie durch eine Erhöhung der Steuereinnahmen sowie durch Investitionen in soziale Sicherheit und eine konsequente Politik zur Verringerung der Armut erreicht worden. Als erfolgsreichste staatliche Maßnahmen identifiziert Oxfam die progressive Besteuerung der Einkommen, höhere Ausgaben für Bildung und Gesundheit, großangelegte Umverteilungsprogramme, die Einführung von Mindestlöhnen und die direkte Schaffung von Arbeitsstellen. Auf diese Weise haben in der vergangenen Dekade rund 50 Millionen Menschen in Lateinamerika den Weg aus der Armut gefunden.

Auch die Vorsitzende der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika (CEPAL), Alicia Bárcena, bezeichnete vergangene Woche die Reduktion der Ungleichheit als wichtigstes Ziel für die Entwicklung des Kontinents. Anlässlich des Gipfeltreffens der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac) in Havanna rief die UN-Funktionärin die Teilnehmerstaaten auf, ihre diesbezüglichen Anstrengungen zu verstärken. Laut der CEPAL kontrollieren im regionalen Durchschnitt die reichsten 20 Prozent der Bevölkerung immer noch über die Hälfte der Einkommen, während das ärmste Fünftel nur über fünf Prozent verfügt.

Für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung Lateinamerikas und der Karibik fand Bárcena lobende Worte. Die 33 Mitgliedstaaten der Celac bilden zusammengefasst die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Nach Angaben der CEPAL sind die Wachstumsaussichten der Region gut: Für das Jahr 2014 prognostiziert die Kommission eine durchschnittliche Zunahme der Wirtschaftsleistung um 3,3 Prozent, gegenüber einem weltweiten Durchschnittswert von 2,2 Prozent.

Wie Bárcena hervorhob, wiesen die drei Länder der Region, die 2013 am stärksten gewachsen sind (Argentinien, Bolivien und Ecuador), allesamt Staatsausgaben von über 22 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts aus. Durch die antizyklische Erhöhung der staatlichen Investitionen habe dort das schwächere Wachstum der privaten Investitionen, insbesondere im Bereich der Industrie, kompensiert werden können. Zudem habe Lateinamerika von einer Zunahme ausländischer Direktinvestitionen profitiert, die im Zeitraum zwischen 2011 und 2013 um 5,7 Prozent gewachsen seien.