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Kolumbien: Geheimdienst überwacht deutsche Medien

Mailverkehr von Journalisten der Süddeutschen Zeitung und Jungen Welt von Geheimdienst abgefangen. Medien hatten über Friedensgespräche in Havanna berichtet

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Der spanischsprachige US-Nachrichtenkanal Univisión deckte die Spionage-Aktion auf
Der spanischsprachige US-Nachrichtenkanal Univisión deckte die Spionage-Aktion auf

Bogotá. Deutsche Medienvertreter werden in ihrer Berichterstattung über die Friedensgespräche zwischen kolumbianischer Regierung und der FARC-Guerrilla

von Kolumbiens Geheimdienst überwacht. Dies geht aus einem Exklusiv-Bericht des spanischsprachigen US-Nachrichtenkanals Univisión hervor. Wie das Medium mit Sitz in Miami vergangene Woche berichtete, habe die Redaktion "Zugang zu zwei Mailaccounts mit 2.638 abgefangenen Emails". Diese würden den Mailverkehr von gehackten Journalisten-Postfächern beinhalten, so Univisión.

Die Hacker-Spezialisten des kolumbianischen Militärgeheimdienstes hätten im großen Stil namhafte Journalisten, Zeitungen und Nachrichtenagenturen aus dem In- und Ausland ausspioniert. Unter den abgehörten Nachrichtenagenturen AP (USA), Reuters (USA/GB), Notimex (Mexiko), Prensa Latina (Kuba), EFE (Spanien) und AFP (Frankreich) wird auch die deutsche DPA aufgelistet. Neben der heimischen Tageszeitung El Tiempo, dem kolumbianischen Radioverbund Radio Caracol, den TV-Sendern TVE (Spanien), RTL (Luxemburg) sei auch der Mailverkehr "unter anderem der deutschen Blätter Süddeutsche Zeitung und Junge Welt" mitgelesen worden.

Auf einer von Univisión publizierten Liste abgehörter Medienvertreter firmiert hingegen lediglich ein deutscher Journalist: "Frederik Obermaier, periodista del Süddeutschen Zeitung, Alemania". Obermaier berichtet seit 2012 für das Investigativ-Team der Süddeutschen, vor allem über Geheimdienste, Terrorismus und Extremismus. 2011 war der deutsche Journalist, der unter anderem in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá studierte, für seine Reportage über die niederländische FARC-Guerillera Tanja Nijmeijer mit dem CNN-Journalistenpreis  in der Kategorie Print prämiert worden.

Unklar bleibt, in welchem Umfang die Journalisten überwacht wurden. Univisión veröffentlichte allein gehackte Kontaktanfragen von Medienvertretern an die FARC-Pressevertreter Hermes Aguilar und Bernardo Salcedo mit der Mailadresse: DialogosHabanaFarc@yahoo.es. In einer abgefangenen Mail fragt im November 2012 AP-Korrespondent Peter Orsi, ob "die Genossin Tanja schon in Havanna ist". Auch der holländische Journalist Alex Tieleman, Lateinamerika-Korrespondent für Novum Nieuws und den TV-Sender EenVandaag fragt nach einem Interview mit "der Delegierten Tanja Nijmeijer".

(Aktualisierung) Auf Nachfrage bei Univisión wurde am Mittwoch, den 12. Februar, die Bespitzelung von Junge-Welt-Redakteur André Scheer bestätigt. Der Lateinamerika-Experte hatte sich ebenfalls im November 2012 an den gehackten Mailaccount der FARC-Pressekontakte in Havanna gerichtet, so Nachfragen bei Gerardo Reyes, Chef der "Investigative Unit" von Univisión in Miami/USA. Warum die Tageszeitung Junge Welt und Redaktuer Scheer nicht auf der Univisión-Liste genannt wurden, ist nicht bekannt, könnte aber an der Menge der abgefangenen Mails liegen. Die Zeitung mit Sitz in Berlin hatte die Abhöraffaire auf ihre Titelseite gebracht.

Deutsche Staatsbürger sind nicht zum ersten Mal ins Visier kolumbianischer Sicherheitsbehörden geraten. 2012 hatte der Politologe und Kolumbien-Experte Raul Zelik über die Zusammenarbeit von Geheimdiensten in Deutschland und Kolumbien informiert. Damals hatte der deutsche Verfassungsschutz der wegen eines Abhörskandals mittlerweile aufgelösten Geheimpolizei DAS die Einreise "mutmaßlicher deutscher Terrorunterstützer" angekündigt. Die Delegation deutscher Kolumbienaktivisten war am Flughafen von Bogotá von einem Observationstrupp erwartet worden. Kolumbien gilt laut dem Jahresbericht 2013 von Reporter ohne Grenzen weiter als eines der gefährlichsten Länder für Journalisten in ganz Lateinamerika. Bei der DAS gab es personelle Verbindungen zwischen Geheimdienst und rechten Paramilitärs. Erst in der vergangenen Woche hatte ein Bericht des kolumbianischen Wochenmagazins Semana über nicht bewilligte Abhöraktionen des CITEC-Militärgeheimdienstes von Verhandlungsführern der Regierung, Guerilla und Oppositionspolitikern für Wirbel gesorgt.