Honduras / Politik

Bilanz fünf Jahre nach dem Putsch in Honduras

Vertreter der Opposition zeichnen ein verheerendes Bild der Situation im Land. 70 Prozent der Honduraner leben in Armut. Über 300 politische Morde

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Ex-Präsident Zelaya im Interview: "Die Hälfte der am Putsch Beteiligten sind noch immer an der Macht."
Ex-Präsident Zelaya im Interview: "Die Hälfte der am Putsch Beteiligten sind noch immer an der Macht."

Tegucigalpa. Vertreter von sozialen Bewegungen haben am fünften Jahrestag des Putsches gegen den honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya

eine verherende Bilanz der Menschenrechtslage im Land gezogen.

Menschenrechtsanwälte schätzen die Zahl der politische Morde seit dem Putsch 2009 auf über 300. Besonders betroffen sind Kleinbauern im Norden des Landes und Menschenrechtsverteidiger.  Ein Drittel aller bisher Ermordeten sind Kleinbauern. Seit dem Umsturz hat sich Honduras auch zu einem der gefährlichsten Länder für Journalisten entwickelt. 32 Journalisten sind in den letzten fünf Jahren ermordet wurden.

Auch insgesamt verzeichnete Honduras nach dem Putsch einen enormen Anstieg an Gewaltkriminalität und gilt mittlerweile mit 90,4 auf 100.000 Einwohner als das Land mit der höchsten Mordrate der Welt. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 8,8 pro 100.00.

Zelaya war am 28. Juni 2009 aus dem Amt geputscht und gewaltsam außer Landes gebracht wurden, nachdem er über die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung abstimmen lassen wollte. Zudem hatte er angekündigt das Honduras Mitglied des lateinamerikanischen Staatenbündnis "Bolivarianische Allianz für die Völker unseres Amerika – Handelsvertrag der Völker" (ALBA) werden sollte.

Auch ökonomisch befindet sich Honduras in einer schweren Krise. Die aktuelle Regierung von Juan Orlando Hernández, genauso wie die Putschregierung des Amtsvorgängers Porfirio Lobo setzen für die Krisenlösung auf eine neoliberale Politik, unter anderem durch die Vergabe von Bergbaukonzessionen für inzwischen über 20 Prozent der gesamten Landesfläche. Diese Privatisierungwelle führte zu einer weiteren Verschärfung der sozialen Konflikte.

Trotz der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2009 und 2013 spricht die politische Opposition ebenso wie die Widerstandsbewegung von einer Fortsetzung des Putschregimes. "Die beginnende Demokratie, die wir im Jahr 2009 hatten, konnte noch nicht wieder hergestellt werden. Die Hälfte der am Putsch Beteiligten sind noch immer an der Macht", erklärte Ex-Präsident Zelaya in einem Interview mit der brasilianischen Nachrichtenagentur Opera Mundi.

Nach seiner Rückkehr nach Honduras im Jahr 2011 gründete der ehemalige Präsident und Mitglied der Liberalen Partei mit Teilen der Widerstandsbewegung die neue, linksgerichtete Partei "Libertad y Refundación“ (LIBRE), die im November 2013 erstmals zu den Wahlen antrat. Zusammen mit der ebenfalls neugegründeten Antikorruptionspartei (PAC) wurde dadurch erstmals das bisherige Zweiparteiensystem aufgebrochen. Beide Parteien beschuldigten den aktuell regierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández und die  Nationale Partei (PN) des Wahlbetrugs. Internationale Wahlbeobachtungsmissionen sprachen von "Unregelmäßigkeiten", erkannten aber schlussendlich das Wahlergebnis an.

Obwohl die neuen Oppositionsparteien über 50 der insgesamt 128 Sitze im Parlament verfügen, wird ihnen kaum Rederecht eingeräumt. "In diesem Land gibt es kein Parlament sondern nur eine Versammlung, die von einer Partei geführt wird, die die Agenda setzt, diskutiert und dann das verabschiedet, was sie will", so Zelaya. Auch die anderen Institutionen würden von der Nationalen Partei dominiert. Ende 2012 setzte das Parlament auf Betreiben von Hernández, der damals Parlamentspräsident war, vier von fünf Verfassungsrichtern ab, nachdem diese einen Gesetzentwurf der Regierung gekippt hatten.

Auch indigene Gruppen, wie die Lenca im Westen des Landes, wehren sich gegen den autokratischen Regierungsstil der Nationalen Partei und den Ausverkauf ihres Territoriums und werden so zunehmend Opfer politischer Gewalt. Der honduranische Staat hält die von ihm ratifizierte ILO-Konvention 169 und die UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker nach Einschätzungen von Beobachtern nicht ein. Indigene, die für ihr Selbstbestimmungsrecht eintreten, werden kriminalisiert, verfolgt und teilweise ermordet. Regelmäßig gibt es Berichte von bewaffneten Einschüchterungen und Übergriffen auf ganze Dörfer durch Polizei- und Militäreinheiten.