Illegaler Waffenverkauf nach Kolumbien ohne Folgen

Bundesregierung lehnt Exportstopp für Waffen in die USA ab. Armee lieferte deutsche Pistolen nach Kolumbien. Staatsanwaltschaft ermittelt

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SIG Sauer SP 2022
SIG Sauer SP 2022

Berlin. Trotz der Verwicklung der USA in einen Skandal um illegale Waffenlieferungen des norddeutschen Rüstungsunternehmens SIG Sauer

nach Kolumbien lehnt die Bundesregierung bislang Konsequenzen aus dem rechtswidrigen Waffendeal ab. Das geht aus den Antworten auf eine sogenannte Kleine Anfrage aus dem Bundestag hervor, die amerika21 vorliegt. Die Reaktion ist heikel, weil die Bundesregierung mit dieser Haltung ihre eigenen "Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" bricht. Darin heißt es, dass ein Empfängerland, das einen ungenehmigten Weiterverkauf deutscher Rüstungsgüter nicht stoppt, grundsätzlich von weiteren Waffenlieferungen aus Deutschland ausgeschlossen wird.

Ende Mai war bekannt geworden, dass Pistolen des deutschen Herstellers SIG Sauer zwischen 2009 und 2012 aus den USA illegal nach Kolumbien geliefert worden sind. Benutzt würden die Waffen des Typs SP 2022 dort von der Nationalpolizei. "Sie untersteht direkt dem kolumbianischen Verteidigungsministerium und wird für Menschenrechtsverletzungen mitverantwortlich gemacht", heißt es in dem Bericht. Offenbar exportierte die US-Armee über 100.000 Pistolen des besagten Typs in das südamerikanische Land – ohne eine dafür notwendige Genehmigung der deutschen Behörden eingeholt zu haben.

Ein Rechercheteam der Süddeutschen Zeitung, des NDR und des WDR hatte auf Basis interner Dokumente und Aussagen von Insidern belegt, wie SIG Sauer von vornherein die geltenden Vorschriften umging. Die Staatsanwaltschaft Kiel führte daraufhin Anfang Juli eine Razzia in dem Unternehmen in Eckernförde durch und beschlagnahmte zahlreiche Unterlagen als Beweismaterial. Gegenüber Medienvertretern sagte die zuständige Oberstaatsanwältin Birgit Heß, ihre Behörde habe "strafprozessuale Maßnahmen" veranlasst.

Während die Staatsanwaltschaft ermittelt, will die Bundesregierung offenbar keine weiteren Konsequenzen ziehen. Waffenexporte in NATO-Staaten seien "grundsätzlich nicht zu beschränken", heißt es in der Antwort aus dem Wirtschaftministerium. Dies steht so tatsächlich in den Grundsätzen der Bundesregierung, allerdings mit einem einschränkenden Nebensatz: "Es sei denn, dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist."

Solche Gründe sieht die Bundesregierung trotz der illegalen Weiterverschickung aus den USA nach Kolumbien nicht. Dabei hatte die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Brigitte Zypries, bei einer hitzigen Parlamentsdebatte Anfang Juni noch Sanktionen in Aussicht gestellt: "Wir müssen darauf vertrauen, dass die Zusicherung der USA eingehalten wird", sagte die SPD-Politikerin damals: "Wenn sie nicht eingehalten wird, dann werden keine neuen Ausfuhrgenehmigungen mehr erteilt."

Die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel aus der Partei Die Linke, von der die Kleine Anfrage stammt, sieht die Bundesregierung immer tiefer in Widersprüche verstrickt. "Die Antworten bestätigen nochmals unsere Befürchtungen, dass es für die Endverbleibskontrolle von genehmigten Waffenlieferungen kein ernst zu nehmendes Kontrollsystem gibt, sondern mehr auf gut Treu und Glauben Genehmigungen erteilt werden." Da mehr als die Hälfte der Fragen der Kleinen Anfrage nicht oder nur unzureichend beantwortet wurden, "werden wir ausstehende Informationen nachfordern und Antworten zu Rüstungsexporten im Zweifelsfall gerichtlich erzwingen", kündigte sie an.