Prekäre Menschenrechtslage in Kolumbien belegt

Delegationsreise besucht mehrere Dörfer im Südwesten des Landes. Bericht von Anwohnern dokumentiert Probleme und Passivität des Staates

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Mitglieder der Delegation
Mitglieder der Delegation

Bogotá. Menschenrechtsaktivisten in Kolumbien haben im Südwesten des Landes mehrere Gemeinden besucht, um Beweise und Augenzeugenberichte zusammenzutragen, die Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht belegen. "Kolumbiens Regierung spricht vom 'Post-Konflikt' während sie im Süden des Landes Krieg gegen die Bevölkerung führt", sagte ein Mitglied der Gruppe bei der Präsentation der vorläufigen Ergebnisse. Die Delegation aus etwa zwanzig nationalen und internationalen Organisationen hatte eine Woche lang mehrere Gemeinden im südlichen Nariño besucht, darunter Dörfer und Bezirke der Gemeinden Samaniego und Túquerres.

Organisiert wurde die Aktion von den Gemeinden vor Ort mit Unterstützung der Landarbeiterorganisation Nationale Agrarkoordination (CNA) und der Solidaritätsorganisation REDHER. Die 40 Teilnehmer des Konvois konnten mehr als 116 Fälle von Menschenrechtsverstößen zusammentragen. Sie beunruhigte vor allem die ausgeprägte Straflosigkeit: Nur rund 44 Prozent der Fälle waren vorher öffentlich bekannt gewesen. Von den Fällen, die bereits zuvor zu Beschwerden oder Anzeigen gebracht worden sind, wurden nur rund zwei Prozent der Täter verurteilt. Bei ihnen handelt es sich vor allem um Paramilitärs, Soldaten der kolumbianischen Armee und Mitglieder der Guerilla. Die Straflosigkeit könne eindeutig auf die Angst in der Bevölkerung zurückgeführt werden, hieß es seitens der Aktivisten: "Die Menschen in den besuchten Bundesstaaten werden systematisch eingeschüchtert, bedroht und dramatischer Gewalt ausgesetzt."

Im vorläufigen Bericht werden mehrere Problemfelder identifiziert, die zu Menschenrechtsverletzungen und der starken Militarisierung führen. Darin heißt es: "Die kolumbianische Regierung hat im Laufe der letzten Jahre Sonderbataillone ausgebaut. Diese stehen in direktem Auftrag multinationaler Firmen und dienen der Sicherung von Infrastruktur wie Straßen und Ölpipelines sowie der Konzerne selbst. Zu Beginn des Jahres 2011 gab es elf solcher Sondereinheiten, im Jahr 2014 sind es bereits 21 dieser Bataillone im Land. Sie schützen direkt ausländische Investitionen und die Interessen der multinationalen Unternehmen und führen einen rücksichtslosen Krieg gegen die Zivilbevölkerung."

Internationale Menschenrechtsorganisationen hatten auf diesen Missstand bereits mehrfach hingewiesen. Auch in Nariño konnte nun nachgewiesen werden, dass die Soldaten der kolumbianischen Armee die Gemeinden bereits vor der Ankunft multinationaler Konzerne "säubern".

Zudem führe der Konflikt um illegale Pflanzen wie Koka weiter zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Guerilla und Paramilitärs, bei denen auch Zivilisten ums Leben kommen. Von den Kleinbauern wird der Kokaanbau als einzige Möglichkeit gesehen, ein kleines Einkommen zu generieren. "Dörfer, die mitunter vier Stunden Fußweg von der nächsten Straße gelegen sind, haben keine Möglichkeit, andere Produkte für den Markt zu produzieren", sagte ein Anwohner. Seitens der Regierung werden gegen diesen illegalisierten Anbau Herbizide aus Flugzeugen versprüht, die das Land der Gemeinden über mehrere Jahrzehnte hinweg verseuchen.

Das größte Problem auf dem Land, so berichteten Anwohner übereinstimmend, seien die Landminen. Nach offiziellen Zahlen sind 2013 landesweit insgesamt 10.682 Opfer von Landminen registriert wurden. Allein in Nariño wurden 737 Fälle gemeldet. Opfer waren zu 66 Prozent Zivilisten und zu 34 Prozent Angehörige bewaffneter Gruppen. Der Delegation wurden in Eigenarbeit entschärfte Minen gezeigt und von unzähligen Unfällen mit Minen berichtet. "Manchmal kracht es mehrmals in der Nacht. Du kannst nur hoffen, dass es Tiere waren, die die Mine ausgelöst haben," sagte ein Zeuge.

Die Organisation REDHER organisiert seit dem Jahr 2001 in verschiedenen Regionen ähnliche Aktionen, Delegationsreisen und Kampagnen, um durch Transparenz und Aufklärung soziale und gesellschaftliche Prozesse zu unterstützen.