Grenzen des Wachstums für Lateinamerika

Großkongress in Leipzig zu Fragen nachhaltiger Entwicklung. Debatten über die Verbindung von Wachstum und Rohstoffpolitik

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Während des "Degrowth"-Konresses in Leipzig
Während des "Degrowth"-Konresses in Leipzig

Leipzig. Wirtschaftswachstum und Rohstoffe bestimmen über Krieg und Frieden. Schon heute werden zahlreiche Auseinandersetzungen geführt,

weil der Zugriff auf Bodenschätze und knapper werdende Ressourcen umstritten ist. Dies ist umso dramatischer, da es auf in einem Teil des Globus an Ressourcen fehlt, während sie andernorts verschwendet werden. An der Universität Leipzig haben nun rund 3.000 Besucher und Experten auf dem vierten Degrowth-Kongress – Degrowth bedeutet etwa "Wachstumsrücknahme" – über fünf Tage die Perspektiven einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik diskutiert.

Grundlage der Diskussionen bildete die Überzeugung, dass eine auf Wachstum basierende Wirtschaft katastrophale ökologische, soziale und zwischenmenschliche Auswirkungen hat. Was jedoch verbindet diese vor allem in europäischen Ländern immer stärker werdende Erkenntnis mit den sogenannten Entwicklungsländern? Gerade die diesjährige vierte Auflage der Konferenz versuchte vermehrt diese Verbindung zu erforschen und Lösungen für eine Debatte zu finden, die den globalen Süden mitberücksichtigt.

Schon auf der Auftaktveranstaltung ließ Alberto Acosta, ecuadorianischer Wirtschaftswissenschaftler und Mitverfasser der Reformverfassung des südamerikanischen Landes, keinen Zweifel daran, dass die Debatte um Postwachstum auch etwas mit den lateinamerikanischen Ländern zu tun hat. Denn sowohl im globalen Norden als auch im Süden gelte: "Die bisherigen Lösungen, die nur auf den Staat in seiner jetzigen Form und auf die Märkte setzen, sind alle gescheitert."

Während in Europa und Nordamerika über Postwachstum diskutiert werde, sei in Lateinamerika und anderen Ländern des Südens eine Kritik an der vorherrschenden Rohstoffpolitik zwingend notwendig, glaubt Acosta. Einen besonders wichtigen Beitrag zu der Frage, was an die Stelle der kapitalistischen Wachstumsgesellschaften treten könnte, könne gerade das Konzept des "Buen Vivir" liefern, so der ecuadorianische Wissenschaftler.

"Buen vivir" bedeutet "Gutes Leben" und ist ein von indigenen Vorstellungen inspiriertes Konzept, das der Natur eigene Rechte zugesteht. In den neuen Verfassungen und der Regierungspolitik von Bolivien und Ecuador spielt dieser Politikansatz eine wichtige Rolle. Dabei müsse jedoch stets betont werden, dass es sich um zahlreiche unterschiedliche Vorstellungen handle und es nicht darum gehen könne, ein ausformuliertes Rezept für die Lösung aller Probleme zu liefern, argumentiert Acosta.

Auch weitere lateinamerikanische Gäste, die von der Linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung eingeladen wurden, berichteten auf unterschiedlichen Veranstaltungen davon, wie sich der Widerstand gegen Projekte zur Rohstoffförderung in ihren jeweiligen Ländern entwickelt.

Facundo Martín stellte die tiefgehenden Veränderungen des ländlichen Raums in Argentinien durch den exzessiven Anbau genmanipulierten Sojas dar. Auf mehreren Podien wurden auch feministische Perspektiven debattiert. Der auf Kuba lebende Dokumentarfilmer Alejandro Ramírez stellte seinen Film "Resistencias" (Widerstände) über Widerstandsbewegungen in mittelamerikanischen Gemeinden gegen den Bau von Megaprojekten vor.

Um die Debatten auch auf Spanisch weiterzuführen, rief die Rosa-Luxemburg-Stiftung den Blog degrowth.blog.rosalux.de ins Leben. Hier werden weitere Eindrücke vom Kongress sowie Meinungen und Berichte und Interviews veröffentlicht.