Studenten in Mexiko von Polizei verschleppt

Angriffe der Polizei auf Studenten im Staat Guerrero. 43 Verschwundene nach Festnahmen. Mehrere Tote, zahlreiche Verletzte. Militär übernimmt Kontrolle

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Bilder der verschwunden Studenten
Bilder der verschwunden Studenten

Guerrero, Mexiko. In Mexiko sorgt das Schicksal von mehreren Dutzend Studenten weiter für Proteste. Die Jugendlichen waren bei Protesten von der Polizei verschleppt worden und sind seither verschwunden. Die Eltern von 43 Studenten der pädagogischen Hochschule "Raúl Isidro Burgos" in Ayotzinapa haben daher bei der Staatsanwaltschaft am 30. September Vermisstenanzeigen eingereicht.

Im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero war es am Wochenende zuvor zu heftigen Übergriffen der Polizei auf Studenten dieser Hochschule gekommen, an denen gemäß ersten Untersuchungen auch lokale Mafiamitglieder beteiligt waren. Die vorläufige Bilanz der insgesamt vier Schießereien: Zwei junge Studierende wurden erschossen, einer starb an den Folgen von Folterungen, zwei weitere wurden schwer verletzt und befinden sich in Lebensgefahr. Drei Unbeteiligte kamen ums Leben, ein Dutzend Verletzte werden im Krankenhaus behandelt.

Die Studierenden der Hochschule in Ayotzinapa, die mittellosen, meist indigenen Bauernkindern die Erlernung des Lehrerberufs für die Grundschule ermöglicht, vermissen sechs Tage nach den Ereignissen noch immer 43 ihrer Kommilitonen. Auch Nichtregierungsorganisationen und die Staatsanwaltschaft von Guerrero befürchten, dass diese nach ihrer Verhaftung durch die Polizei in Mafiahände übergeben wurden. "Die Hoffnung, die Verschleppten lebend und gesund zu finden, schwindet stündlich", meint der Arzt Raymundo Díaz, Aktivist des Kollektivs gegen Folter und Straflosigkeit (CCTI), der Überlebende und Angehörige betreut.

Der Auslöser der Polizeigewalt gegen die Studenten war die Beschlagnahmung von drei Bussen, mit denen diese nach Mexiko-Stadt fahren wollten, um an der Gedenkdemonstration des Studentenmassakers vom 2. Oktober 1968 teilzunehmen. Die lokale Polizei von Iguala schoss ohne Vorwarnung auf einen der Busse, zwei Aktivisten erlitten Kopfverletzungen, einer liegt seither im Koma. Nach Augenzeugenberichten waren dabei auch bundesstaatliche und föderale Polizeieinheiten vor Ort. In den folgenden Stunden geschahen dann die weiteren Angriffe, unter anderem durch ein ziviles Kommando, auf eine improvisierte Pressekonferenz um Mitternacht in den Straßen Igualas.

Am 27. September übernahm das mexikanische Militär in Iguala die Kontrolle. 22 Polizisten sind inzwischen in Haft und sollen laut Staatsanwaltschaft zur Verantwortung gezogen werden.

Die Ereignisse von Iguala sieht Abel Barrera, Direktor des Menschenrechtszentrums Tlachinollan, im politischen Kontext von Guerrero, einem der ärmsten und gewalttätigsten Bundesstaaten Mexikos: "Hier gibt es eine staatliche Politik der Morde an Anführern der sozialen Bewegungen und der Kriminalisierung der Proteste, um die soziale Unruhe im Zaum zu halten." In einem Pressebulletin beschreibt das CCTI die konkreten Auswirkungen dieser Politik: "Die Gesellschaft Guerreros ist gelähmt, paralysiert durch die Angst und den Terror, außer einiger weniger Sektoren mit langer Kampftradition, wie die Studenten und die Lehrer."