Peru / Menschenrechte

Zwangssterilisationen in Peru werden nicht strafrechtlich verfolgt

Die Verbrechen an tausenden indigenen Frauen und Männern unter Präsident Fujimori bleiben ungestraft. Entschädigungszahlungen stehen weiterhin aus

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Demonstration von Teilnehmerinnen des achten Treffens lateinamerikanischer und karibischer Feministinnen (EFLAC)
Demonstration von Teilnehmerinnen des achten Treffens lateinamerikanischer und karibischer Feministinnen (EFLAC)

Lima. Auch über zehn Jahre nach der Präsidentschaft Alberto Fujimoris werden Verbrechen aus seiner Amtszeit nicht geahndet. Die Oberstaatsanwaltschaftin Lima hat unlängst entschieden, nur in einem einzigen Fall von Zwangssterilisation indigener Frauen in den 1990er Jahren Strafanzeige zu erstatten. Rund 2.000 weitere Fälle, die in den vergangenen Jahren untersucht worden waren, werden hingegen nicht weiterverfolgt.

Menschenrechts- und Frauenorganisationen haben nun die interamerikanische Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) angerufen. Sie soll den peruanischen Staat an seine Pflicht erinnern, diese Fälle zu verfolgen und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen. Des Weiteren fordern die Organisationen, dass der peruanische Staat umfassende Entschädigungen an die Opfer leistet und so ein Zeichen gegen die fortbestehende Diskriminierung von Indigenen und Bauern gesetzt wird.

Unter der Präsidentschaft Fujimoris (1990 bis 2000) war ein "Nationales Programm zur Familienplanung" durchgeführt worden, das dazu dienen sollte, in den armen Bevölkerungsschichten die demografische Entwicklung politisch zu kontrollieren. Im Zuge dessen wurden in Peru zwischen 1996 und 2000 rund 300.000 Frauen und 22.000 Männer zwangssterilisiert, vor allem Indigene und arme Bäuerinnen und Bauern. In den seltenen Fällen, in denen die Betroffenen zuvor über die Operationen informiert wurden, wurde ihnen bei ablehnender Haltung mit Strafzahlungen, Gefängnis oder dem Entzug von staatlichen Leistungen gedroht. Eine gesundheitliche Nachsorge wurde nicht gewährleistet, so dass 18 Frauen direkt nach den Operationen an Komplikationen starben und tausende Opfer bis heute an den physischen und psychischen Folgen der Eingriffe leiden.

Der einzige Fall, der nun vor Gericht gebracht werden soll, ist die Zwangsterilisation von María Mamérita Mestanza Chávez, die 1998 an den Folgen starb. Allerdings sollen auch hier nicht die Auftraggeber des Programms zur Verantwortung gezogen werden, sondern das medizinische Personal, das damals den Eingriff vorgenommen hat.

Zahlreiche Organisationen protestieren gegen diese Straflosigkeit, von der vor allem Ex-Präsident Fujimori und seine damaligen Gesundheitsminister profitieren, und gegen grobe Unregelmäßigkeiten bei der Untersuchung der anderen Fälle. Gloria Cano, Vertreterin der Vereinigung für Menschenrechte (Aprodeh), kritisierte die Herausnahme eines einzelnen Falles, wenn es doch systematische Zwangssterilisationen an tausenden Frauen und Männern gegeben habe, die oftmals gar nicht wussten, was ihnen geschieht. Auch María Ysabel Cedano, Direktorin der Gruppe für die Verteidigung der Rechte der Frau, "Demus", zeigte sich besorgt darüber, dass der Kontext, in dem die Sterilisationen stattgefunden haben, außen vor gelassen werde.

Mit dem neuen Dokumentarfilm "Die Narben des Betrugs", der vergangene Woche beim achten Treffen lateinamerikanischer und karibischer Feministinnen (EFLAC) in Lima vorgestellt wurde, soll den Opfern der Verbrechen eine Stimme gegeben werden. Der Film begleitet 15 Opfer von Zwangssterilisationen und ihre Familien und gibt Einblicke in ihr Leben und die gesundheitlichen Folgen, mit denen die Menschen konfrontiert sind. Bei dem Treffen der EFLAC, das unter dem Slogan "Für die Befreiung unserer Körper" stattfand, wurde außerdem eine Dokument erstellt, in welchem sich die Teilnehmerinnen des Treffens gegen "die patriarchalen, kolonialen und rassistischen Gesellschaften" wenden, in denen sie leben, da diese im Zusammenspiel mit kapitalistischen und neoliberalen Wirtschaftssystemen Strukturen von Gewalt, Herrschaft und Ausbeutung reproduzieren und so die Rechte vieler Menschen und insbesondere von Frauen verletzen.